STUBE-Freitag: Polka
Zu Gast im Naturhistorischen Museum Wien
Für dieses Sommersemester hat sich die STUBE vorgenommen, ein bisschen aus der Reihe zu tanzen und die STUBE-Freitage beschwingt zu dislozieren. Gleich der erste Schritt in dieser Choreographie führte ins Naturhistorische Museum.
Wir erinnern uns: Letztes Jahr nahm das STUBE-Team unter fachkundiger Anleitung von Brigitta Schmid (Dino)Saurier im Sachbuch unter die Lupe (zum Tagbucheintrag geht es >>> hier). Dabei wurde festgestellt, dass Dinos immer Saison haben und dass die anhaltende Begeisterung für die Urzeitriesen insofern naheliegt, als es nicht nur in Sachbuch, Natur-Doku und Blockbuster-Kino immer wieder Neues gibt, sondern auch die Paläontologie durch weitere, immer sensationelle Funde und die nicht weniger sensationellen Möglichkeiten moderner Technik ihr Wissen vertieft, erweitert und oft auch korrigiert.
Mit dem ihr eigenen Weitblick hat sich die STUBE schon damals ins Naturhistorische Museum eingeladen und wurde nun von Brigitta Schmid exklusiv durch die aktuelle Ausstellung KinoSaurier. Fantasie & Forschung geführt.
Obwohl Dinosaurier seit 66 Millionen Jahren ausgestorben sind und kein Mensch ihnen jemals begegnen hätte können, haben wir dennoch ein relativ bestimmtes Bild davon, wie sie ausgesehen haben. Woher kommt das? Wie sind diese Bilder im Kopf entstanden? Dieser Frage geht die Ausstellung nach, indem sie sich auf eine Reise durch die Filmgeschichte begibt.
Diese Reise beginnt bei den ersten, eher plumpen Modellen des 19. Jahrhunderts, die gemeinsam mit der sogenannten Paläo-Art versuchen, die jeweils aktuellen Erkenntnisse zu veranschaulichen. Da aber ein fossiler Fund keine Auskunft über die vitale Oberfläche gibt, bleibt hier von Anfang an ein gewisser Spielraum, der schnell den Hinweis so könnte (!) es ausgesehen haben vergessen lässt.
Anfänglich im Zeichentrickfilm, bald aber auch in Stop-Motion-Filmen und schließlich mit moderner Computer-Animation geht es bei den KinoSauriern meistens um eine – historisch nicht mögliche – Begegnung mit dem Homo Sapiens. 1914 fiel diese für „Gertie the Dinosaur" recht friedlich aus. Sie musste es sich zwar gefallen lassen, von einem Menschen im Zirkusdirektorengewand vorgeführt zu werden, nahm aber mit geradezu hündischem will to please artig ihre Belohnungen entgegen. Auch die Kinder, die sich 1955 auf eine „Reise in die Urzeit" begaben, blieben friedlich und prägten für Generationen die Vorstellung von der prähistorischen Erde.
Das Vordringen von Forschern und Abenteurern auf unentdeckte Inseln und in unberührte Wildnisgebiete führte aber weit öfter zu Konfliktsituationen, die für den KinoSaurier meist fatal endeten. „King Kong" (1933) und „Godzilla" (ab den 1950er-Jahren) können bis heute ein Lied davon singen. Dem „Lost-World-Motiv" wurden oft unverstandene Wesen entrissen, und das „Monster auf freiem Fuß" musste im Kampf zwischen Zivilisation und Urgewalt wieder gebändigt werden.
In den Filmen des „Jurassic Universe" seit „Jurassic Park" (1993) ließ man der Fantasie nicht nur hinsichtlich des Erscheinungsbildes der Saurier freien Lauf, sondern auch die Möglichkeiten der Wissenschaft wurden in schwindelerregende Höhen getrieben. Nein – Achtung: Spoiler! – es ist nicht möglich, aus dem Blut, das ein Insekt getrunken hat, das dann in Bernstein eingeschlossen wurde, welche DNA auch immer zu generieren. Ein bisschen friedlicher wurde es schließlich dennoch: „Horror light" bezeichnet die Domestikation blutrünstiger Monster mittels Kindchenschema, um sie Kinderzimmer- und Familienfilmtauglich zu machen.
Am Ende der Ausstellung wird der Kulturhistoriker W. J. T. Mitchel zitiert, der den Dinosaurier als das Totemtier moderner Kultur bezeichnet, das empirische Wissenschaft und kollektive Fantasie, rationale Methoden und rituelle Praktiken verbindet. Und die Ausstellung macht es deutlich: Die Ingredientien dieses Cocktails sind die technischen Möglichkeiten bei den filmischen Spezialeffekten, der jeweils aktuelle Wissensstand der Paläontologie und eine Riesenportion Fantasie.
Im Anschluss an die KinoSaurier-Ausstellung führte Brigitta Schmid die unermüdlich wissensdurstige STUBE-Community noch zu ausgewählten Exponaten, wie zum Beispiel dem neu präparierten Skelett eines Platäosauriers oder zu Archelon, der größten jemals dokumentierten Meeresschildkröte. Vorbei an wunderschönen Ammoniten ging es auch zur berühmten Venus von Willendorf, die nur selten im Original zu sehen ist und – fun fact – deren Gewicht geheim gehalten wird, um Fälschungen vorzubeugen. Der krönende Abschluss dieser STUBE-Polka war ein Ausflug auf das Dach des Museums mit atemberaubendem Blick auf Wien nebst frühlingshaftem Sonnenuntergang.
Ein Bericht von Alexandra Holmes