Religiöses Buch im Sommer 2025
Aus d. Niederländ. v. Eva Schweikart
Mit Illustrationen von Sanne te Loo
Urachhaus 2025.
116 S.
Els Pelgrom: Zorro – Anas allerbester Freund
Manchmal würden wir doch wirklich gerne wissen, was Tiere so denken, vor allem, was sie über uns Menschen denken, wie sie uns wahrnehmen. Wir sehen den Tieren in die Augen – sei es unseren Haustieren, den Tieren im Zoo, am Bauernhof oder woauchimmer – und würden gerne in ihre Köpfe hineinschauen können, ihre Sprache verstehen wollen.
Zum Glück gibt es dieses beglückende wie philosophische Buch der niederländischen Autorin Els Pelgrom. Es nimmt uns mit in die Weltwahrnehmung von Zorro, dem kleinen Hund. Er erzählt ganz aus seiner Perspektive über sein Leben in einem spanischen Dorf, über den Alltag mit seinem schon etwas älterem Herrchen Serafín, über all die Gerüche, die ihm jeden Tag begegnen und über sein größtes Abenteuer, das nicht nur sein Leben für immer verändern wird. Am Anfang war die erste Begegnung mit dem 12-jährigen Mädchen Ana, das zusammen mit ihrer Mutter Luisa neu in das Dorf zieht, genau in das Haus von seinem besten Kumpel Koko. Zorro ist irritiert: Sie roch wie das Kissen auf dem Sessel meines Herrchens. Wie kann das sein? Auf jeden Fall spürt Zorro gleich eine besondere Verbindung zu Ana und er „spricht“ mit ihr darüber […] dass die Welt voller Wunder ist. Weil wir uns schon kannten, lange bevor … lange bevor … ich konnte es ihr nicht erklären.
Diese Beziehung zu Ana verstärkt sich noch, als sie ihn schwer verletzt findet und zu Serafín bringt. Jugendliche hatten ihre Schießspiele im Wald an Zorro ausgetobt, eines seiner Augen wird nicht gerettet werden können. Doch so begegnen sich Zorros Herrchen und Ana zum ersten Mal und ganz zart beschreibt Zorro, wie auch zwischen den beiden gleich eine Verbindung entsteht:
Wenn ich hin und wieder wach war, hörte ich ihnen zu. Ganz einfach war das nicht. Ich lauschte den Worten, die sie zueinander sagten, ich meine: den Worten, die man durch die Ohren hört. Und wenn sie eine Zeit lang still waren, lauschte ich den Worten, die zwischen ihnen hin und her gingen, ohne, dass sie es wussten.
Plötzlich blitzt ein eigentlich fest verschlossener Kummer in Serafín auf, er erzählt von seiner Tochter, die vor elf Jahren verstorben ist und auch Ana hieß. Und Ana erzählt von ihrem Vater, der sie verlassen hat, irgendwo in Madrid lebt und nur das Geld schickt. So eröffnet sich ein Miteinander von Vergangenheit und Gegenwart, das Fragen der Trauer und Geister der Vergangenheit nachspürt, zugleich aber durch die Perspektive fest im Hier und Jetzt verankert ist. Die Leser*innen erfahren nämlich immer nur so viel, wie Zorro hört, wie er versteht, was er für wichtig hält; es wird aber spürbar, dass bei der Geschichte von Serafín und Ana irgendwie mehr dahinterstecken muss, was erst am Ende des Buches verraten wird.
Zunächst geht es aber an den Strand. Eher unwillig lässt sich Luisa zusammen mit Ana im Auto von Serafín mitnehmen, auch hier wieder ein Hinweis, dass da irgendetwas vorgefallen sein muss, ohne dass Zorro noch eine Erklärung hat. Aber es wird zum schönsten Tag überhaupt. Und Els Pelgrom lässt ihren tierischen Protagonisten die wahrscheinlich treffendsten und zauberhaftesten Worte für so einen Strandtag finden:
Ich erzähle das so ausführlich, weil ich inzwischen wusste, dass Menschen am Strand wie Tiere werden. Nicht ganz, aber ein bisschen. In unserem Dorf sitzen oder liegen nur wir in der warmen Sonne. Oder lassen kühle Luft über uns wehen. Und den Wind. Einfach, um unser Dasein zu spüren. Und alles, was es so gibt. Gras und Sand und Steine. Luft und Wind und Regen. Sonne und Mond. Wolken und Sterne. Bisher hatte ich geglaubt, nur wir könnten das: Augen halb zu und spüren, was kommt, was atmet, was war.
Kurz nach diesem Tag werden Koffer gepackt und Zorro in das Auto gepackt, Ana fährt auch mit und zu dritt geht es in die große, laute, verwirrende Stadt Madrid, um dort Anas Vater zu suchen. Für Zorro ist das alles eine Herausforderung: So viele Gerüche bzw. Gestank, heißer Asphalt, Autos, viele Menschen. Irgendwann hält er es nicht mehr aus und reißt sich in einem Park los, um ein paar Runden zu rennen, aber dabei verliert er Serafín und Ana. Dass der Mann, der ihn findet und aufnimmt, dann genau Anas gesuchter Vater ist, ist natürlich recht unwahrscheinlich, aber in diesem so feinen, liebevollen, berührenden, höchst philosophischen Buch, das einlädt, die Welt und unser Dasein einmal aus einem Perspektivenwechsel heraus zu sehen, zu riechen, zu spüren, wahrzunehmen, ist auch dieser Zufall stimmig. Sagen wir es mit Zorros Worten:
Alles ist, wie es sein soll. Nur verstehen wir manchmal nicht, warum.
Tina Reiter
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