Aus d. Französischen v. Edmund Jacoby.
Jacoby & Stuart 2025 [EA 2017].
56 S.


Hélène Rajcak/ Damien Laverdunt: Die unsichtbaren Welten mikroskopisch kleiner Tiere

Forscher*innen aufgepasst! Zückt die Protokollstifte und stellt die Mikroskope ein, denn wir begeben uns auf eine Safari der etwas anderen Art. Beginnen wir an einem möglicherweise ungewöhnlich anmutenden Ort – zwischen den nächtlichen Deckenbergen eines Menschenbettes. Wir legen uns auf die Lauer, werden leise und beobachten:

In den Fasern eurer Bettwäsche, mitten in einem Wald von mikroskopischen Pilzen, machen sich ganze Herden von Milben auf, um nach Hautschuppen zu suchen, die ihr Leibgericht sind. Doch ihre friedliche Mahlzeit wird schon bald gestört, als schreckliche Raubtiere auftauchen: Getreideraubmilben. Die Staubmilben stieben auseinander, doch die, die nicht schnell genug fliehen, werden von den großen klauenbewehrten Zangen ihrer Verfolger aufgeschlitzt und ausgesaugt.

Klingt dramatisch? Das ist es auch! Denn die Lebensräume und Vorgänge, die in diesem Buch sichtbar gemacht werden, stehen einer spannenden Naturdokumentation in nichts nach. Das als „Les Tigres Gauchers“ (die linkshändigen Tiger) zusammenarbeitende Künstler*innen-Duo Hélène Rajcak und Damien Laverdunt entführt in die Lebenswelten mikroskopisch kleiner Tiere; und lässt dabei staunen, welche unendlichen Weiten sich unter unseren Fingerspitzen auftun können.

Besichtigt wird dabei jeweils ein Lebensraum, vom genannten Bett über einen Sandstrand, eine verschmutzte Ecke am Küchenboden bis hin zur Oberfläche eines Moospolsters. Überall tummeln sich faszinierende Kleinsttierchen, die auf imposante Art und Weise in Szene gesetzt werden. Neben den spannenden und poetischen Einleitungstexten beeindrucken nämlich vor allem die illustrierten Ausklappseiten, die jedes Kapitel begleiten. Großformatig werden darauf die Fasern und Strukturen der Lebensräume dargestellt, zwischen denen die beschriebenen Kreaturen sich bewegen, jagen, auf Nahrungssuche gehen. Welten, die vorher kaum greifbar waren, werden so plastisch wahrnehmbar.

Auf separaten Seiten beigefügt sind jeweils nummerierte Beschreibungen der Tiere, sodass sie wie auf einem Wimmelbild gesucht werden können. Die beeindruckende Kunstfertigkeit der Bilder wird so an handfeste biologische Informationen gekoppelt, die je nach Lust und Laune der Leser*innen selbst dosiert werden können. Am Ende beigefügt sind außerdem ein kleines Lexikon sowie eine knapp zusammengefasste Geschichte der Mikroskopie. Wer zuvor noch kein Fan der faszinierenden Welt der Mikroorganismen war, wird es nach der Lektüre dieses Buches wohl auf jeden Fall werden! Umso schöner, dass dieses Buches nun auch wieder lieferbar ist!

LESEN – SPRECHEN – TUN

Lesen – Inwiefern sich auch jüngere Leser*innen vor allem durch die textlastigeren Seiten graben werden, ist bestimmt höchst individuell und interessensabhängig. Doch die einleitenden Textpassagen zu diesen spektakulären Lebensräumen lassen sich aufgrund ihrer spannungsorientierten Beschreibungen auch hervorragend vorlesen. In Kombination mit den Illustrationen der Ausklappseiten werden die beschriebenen Welten im Kopf lebendig gemacht.

Sprechen – Wenn etwas zwar da ist, für das bloße Auge aber kaum oder gar nicht sichtbar, gibt es oft mehr Gesprächsbedarf. Hier lässt sich einerseits an Alltagserfahrungen anknüpfen und dadurch diese zweite, kleinere Lebensumgebung aufmachen (Mücken, Zecken oder Mikropilze sind selbst für viele Kinder schon alte Bekannte). Andererseits können auch externe Bilder hinzugezogen werden, falls eine genauere Inspektion gefordert wird. Zudem verstecken sich überraschend viele weitere Gesprächsanlässe zum Alltagsleben zwischen den Seiten, etwa zu den Themen Hygiene (man erinnere den Mini-Dschungel im Bett), Gesundheit (Impfungen und Allergien) oder Umweltschutz (die Nahrungskette).

Tun – Es ist zufällig kein Mikroskop im Haus? Vielleicht können nicht die Mikroorganismen selbst, durchaus aber ihre Aktivitäten zu Hause sichtbar gemacht werden. Ein dankbares Experiment wäre – richtig gehört! – das Züchten eines Schimmelpilzes. Wie verändert sich ein Lebensmittel über mehrere Tage hinweg, wenn man es bei Zimmertemperatur in einem durchsichtigen Behälter lagert? Die Ergebnisse werden Forscher*innen (selbst die mit weniger stabilen Mägen) zumindest faszinieren.

Sarah Auer


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