Carlsen 2025.
40 S.

Ellen Heck: A wie Biene. Ein ABC mit tierisch guten Übersetzungen

Der Bienenstaat ist ein dynamisches und komplexes Gebilde; und er ist hierarchisch organisiert. Dieserart entspricht er durchaus dem ABC. Denn auch damit ist ein Ordnungssystem gemeint, das einer klaren, einmal festgesetzten Struktur folgt. Und dennoch ist es zusammengesetzt aus einzelnen Buchstaben, die auf unterschiedlichste Weise und so individuell wie man möchte, miteinander kombiniert werden können – von der sprachspielerischen Lautmalerei bis hin zu grammatikalisch geregelten Wortkombinationen. Jede Sprache funktioniert anders; und dass all diesen Sprachen unterschiedliche Alphabete zugrunde liegen, hat selten jemand auf ansprechendere Weise dargestellt als Vitali Konstantinov in seinem Sachbuch „Es steht geschrieben. Von der Keilschrift zum Emoji“ (erschienen 2019 im Gerstenberg Verlag). Diese unterschiedlichen Alphabete jedoch werden hier außer Acht gelassen, denn in diesem Bilderbuch geht es um die Anlaute von Tiernamen. Schließlich haben wir es mit einem ABC-Buch zu tun ...
Aber halt!
A wie Biene?
Wo bleiben die wohlbekannten Assoziationen? Wo bleibt die Ameise, der stets der Auftakt von Tier-ABC-Büchern überantwortet wird? Immerhin: Den Affen findet man. Aber unter B. Wie jetzt?

In ihrer (gefiederten) schwarz-gelben Behaarung darf die Biene das ABC-Buch eröffnen. Ihr Wehrstachel ist nicht sichtbar – widerständig ist dieser Auftritt dennoch. Was man jedoch nicht bedacht hatte: Ari. Aamoo. Abelha. Aṅū. Alles Bienen-Bezeichnungen, nur halt auf Türkisch, auf Ojimbwe, auf Portugiesisch und auf Igbo.
Und den Affen nennt man auf Balinesisch Bojog, auf Litauisch Beždžionė, auf Hindi Bandar und auf Hausa Biri. Und schon ist man mittendrinnen in der Sprachvielfalt dieser Welt, denn wo spricht man Hausa? Man googelt (Anschlusskommunikation, wir kommen!) und staunt nicht schlecht, dass über 80 Millionen Menschen diese afroasiatische Sprache sprechen. Es ist die größte der westlichen tschadischen Sprachen und wird im Niger neben der jeweiligen Amtssprache (Englisch respektive Französisch) gelehrt.

Die Autorin Ellen Heck spricht in ihrem Nachwort von einer „Puzzlearbeit“, mit der die Neu-Anordnung all dieser Tiernamen verbunden war. Seinen Ausgang hat das Projekt in Fibeln genommen, in jenen Büchern, die lesenlernende Kinder mit der Schrift und Buchstabenkombinationen bekannt machen, die zu Wörtern anwachsen und dieserart mit Bedeutung kulturell aufgeladen werden. Solche Fibeln hat Ellen Heck in unterschiedlichsten Sprachen zu sammeln begonnen und man folgt fasziniert den Ergebnissen dieser Sammelleidenschaft. Denn selten konnte man die kulturelle Vielfalt von Wortgebungen so fasziniert verfolgen, wie in diesem ABC-Buch. Die Künstlerin lebt und arbeitet als Druckerin in North Carolina und man fühlt sich bei den großformatigen Bilderbuchseiten an die eigene Linoldruck-Qual in der Schulzeit erinnert. Hätte man Druckverfahren wie dieses selbst so meisterlich beherrscht wie sie, hätte man sich das Trauma u-förmig verunstalteter Finger sicher erspart ... Umso größer ist die Bewunderung für die in üppigem Schwarz in Szene gesetzten Tierkörper, die mit leuchtenden Farben effektvoll kontrastiert werden.

Mächtig blickt den Betrachter*innen ein Tigerkopf entgegen, phrasiert mit Schattierungen von Ocker/Orange und auf karminroten Hintergrund gesetzt. Wir sind mittlerweile beim H angelangt. H wie Tiger. Denn Harimau heißt der Tiger auf Indonesisch und Huli auf Kannada. Dass Tiger dennoch nicht in Kanada leben, soll an dieser Stelle nicht verwundern, denn Kannada gehört zur drawidischen Sprachfamilie und wird in Südindien gesprochen. Und in Indien leben Tiger.

Das bleibt aber letztlich egal, denn die Tiere werden in einen nur stilisierten natürlichen Lebensraum gestellt. Benannt werden sie aber auch dort, wo sie nicht leben. Eine Kirahahvi zum Beispiel lebt definitiv nicht in Finnland, eine Kamilopárdali nicht in Griechenland, eine Kakīroa nicht in Neuseeland und eine Kaelkirjak definitiv nicht in Estland. Aber Finnisch, Griechisch, Māori und Estnisch finden sprachlich dennoch unter K wie Giraffe zueinander.

Dass der Frosch unter Q zu finden ist, mag da logischer erscheinen. Schließlich (Achtung! Sehr schlechter Scherz:) quakt er. Auch wenn Ellen Heck drei wirklich coole Froschwesen in grün-schwarzen Streifen auf Schilfblättern lungern lässt, ohne dass die drei zum Froschgesang anheben würden. Kein Wunder! Unter Q sind sie auch nur deswegen zu finden, weil der Frosch auf Mandarin Qīngwā heißt und auf Aserbaidschanisch Qurbağa.
Gut gequakt ist dieses gesamte ABC-Buch dennoch und es wird einem schon ein wenig schwummrig, wenn ein Wànga-lànga in Schwarzweiß vor knallrotem Hintergrund auf einen zutrabt und man zwar schon immer mal auf Safari wollte, um Nashörner zu sehen, aber dennoch nicht wusste, dass im Senegal Wolof gesprochen wird. Dem W wie Nashorn ist übrigens das V wie Zebra vorangestellt.  Denn das Steppentier, das auf Tamil Varikkutirai genannt wird, sorgt hier nicht für den animalen Kehraus. Während mit jedem Buchstaben je eine knallige Doppelseite gestaltet wird, geht Ellen Heck im Finale nochmals aufs Ganze und endet wahrlich schwergewichtig: Vor orangem Hintergrund zeichnet sich das Z wie Elefant ab und Zaan, Zehon, Zilonis und werden ein letztes Mal als typografische Bildelemente in den farbmonochromen Leerraum gestellt.
Und auch wenn einfach nur Elefant auf Japanisch heißt, wird damit der Besuch in einem illustratorisch, vor allem aber sprachlich außergewöhnlichen Zoo abgeschlossen. Mit Z wie Ende.

Heidi Lexe

 Die Biene tummelt sich nicht nur in diesem ABC-Buch, sondern auch zwischen ganz anderen Seiten. Wo genau kann in einer passenden Themenliste zu den >>> Bienen nachgelesen werden.

Das Kröte-des-Monats-Logo können Sie hier für Werbezwecke in unterschiedlichen Formaten downloaden.
>>> jpg
>>> png
>>> gif



>>> hier geht es zu den Kröten 2025.

Die gesammelten Kröten der letzten Monate und Jahre finden Sie im >>> Krötenarchiv