Gabriel 2023.
112 S.

Christoph Drösser und Nora Coenenberg: Wir mussten flüchten


„Die Migrationsströme unserer Tage sind Ausdruck eines komplexen und vielschichtigen Phänomens, dessen Verständnis eine sorgfältige Analyse aller Aspekte erfordert, die die verschiedenen Phasen einer Migration kennzeichnen, vom Aufbruch bis zur Ankunft, einschließlich einer eventuellen Rückkehr.“ So formulierte es Papst Franziskus, der ja Flucht und Migration durchaus als einen inhaltlichen Schwerpunkt seines Pontifikates begreift, in einer >>> Botschaft im Herbst 2023.  Der angesprochenen Komplexität des Themas, aber auch der Notwendigkeit, solidarisch damit umzugehen, entspricht auch ein neues Sachbuch, das aufgrund seiner ethischen Relevanz bzw. seines gelungenen Umgang mit moralischen Fragestellungen zum Religiösen Buch des Monats gekürt wurde (ohne dabei explizit religiös zu sein).

Christoph Drösser und Nora Coenenberg, die etwa von „100 Kinder“ (2021 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet) bekannt sind, beleuchten dabei vielerlei Aspekte. Einmal mehr wissen die beiden gekonnt, unaufgeregt und ohne vordergründigen Betroffenheitscharakter Zahlen und Fakten interessant aufzubereiten. Beginnend mit einer Begriffsklärung und geschichtlichen Dimensionen werden basale Grundinformationen vermittelt, bevor dann auf unterschiedliche Einzelschicksale fokussiert wird, anhand derer Fluchtgründe und gefährdete Regionen auf der Erde ausgelotet werden. Damit kommt es zu einem Wechsel vom Allgemeinen hin zum Individuellen: Der Fokus liegt dabei immer klar auf dem Erleben und Erlebten von Kindern Weltweit. Da sind beispielsweise vier Cousins, die aus Syrien nach Deutschland gekommen sind oder Shamshidah, ein Mädchen der muslimischen Minderheit Rohingya in Myanmar. Durch die konkrete Anbindung erhalten die Zahlen ein Gesicht, werden Fluchtgründe für Lesende greifbar.

In gut verständlichen Häppchen fließen Statistiken in den Fließtext ein oder werden diesem an die Seite gestellt, die umso eindringlicher verdeutlichen, welche Fluchtgeschichten und Menschen mit Fluchterfahrungen uns täglich begegnen. Etwa dann, wenn ganz nach dem Vorbild von „100 Kinder“, aufgedröselt wird, dass 8 von 20 Kindern in Deutschland Migrationshintergrund haben. Auch wenn die Statistiken sowie rechtlichen Rahmenbedingungen wie Aufenthaltsstatus und Asylverfahren auf Deutschland bezogen sind, tut das der Relevanz für andere deutschsprachige Länder keinen Abbruch. Im Sinne der Anschlusskommunikation können hier im Gespräch Parallelen gezogen werden. Und damit wird unter anderem die Brücke zu Menschen in Mitteleuropa geschlagen. Der zweite Teil des Sachbuchs widmet sich nämlich der Frage, was jeder Mensch ganz konkret in seinem Umfeld tun kann, um geflüchteten Menschen zu helfen. Ob in Form von Kleiderspenden, ehrenamtliches Engagement in einer Hilfsorganisation oder Spendensammlungen – die Möglichkeiten selbst aktiv zu werden sind groß. So steht Humanität an oberster Stelle. In einem einfach gestalteten Doppelseitenkonzept mit stilisierten Illustrationen, das farblich unterschiedlich markiert ist, werden all jene Aspekte behandelt, die für das Verständnis und vor allem die Sensibilisierung für Flucht und geflüchtete Menschen von Belang sind. Dabei wird auch mit Vorurteilen aufgeräumt und Klarheit geschaffen, während eine Brücke zwischen historischen und gegenwärtigen Fluchtbewegungen und -gründen geschlagen wird.

Ebenso verständlich wie optisch ansprechend gelingt es dem Duo ein Thema, das uns alle unbedingt etwas angeht, aufzubereiten und damit aus der Fülle an bereits vorhandenen Sachbüchern über Flucht herauszustechen.

Alexandra Hofer

Flucht ist ein Thema, das vielfach in der Kinder- und Jugendliteratur verarbeitet und thematisiert wird. Eine Auswahl dazu findet sich in der Themenliste zu >>> Flucht.

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