Moritz 2020. € 13,90.

Antje Damm: Füchslein in der Kiste
Es ist Abend und der alte Fuchs hat endlich sein Ziel erreicht: Eine in vielen Grüntönen leuchtende Lichtung mitten im Wald. Erschöpft setzt er sich auf seine große Kiste, um auszuruhen, schläft schließlich ein. Die in der Nähe wohnenden Kaninchen sind misstrauisch und besorgt. Was ist in der Kiste? Und was will der überhaupt hier? Da erwacht Fuchs, reckt und streckt sich, reißt sein Maul auf – „Oh, was hab ich für einen riesengroßen Hunger!“. Die zitternden Kaninchen kann er schnell beruhigen, indem er zugleich das Geheimnis des Inhalts der Kiste lüftet: Sie ist voll von Tomatensuppendosen. Weil er keine Zähne mehr hat, hat Fuchs seine Nahrung nämlich auf Tomatensuppe umgestellt. Fuchs und Kaninchen – einander normalerweise Feind –  freunden sich an, genießen unbeschwerte, versöhnliche Tage; der Alte erzählt aus seinem bewegten Leben, die Kaninchen lauschen und lernen nebenbei so manchen füchsischen Trick. Und als ihr großer Freund immer schwächer wird, kümmern sie sich liebevoll um ihn –  bis Fuchs seinen baldigen Aufbruch ankündigt. Er weiß zwar nicht, wohin er gehen, wohl aber, dass es dort schön sein wird. So legt sich Fuchs also in seine Kiste und stirbt. Die traurigen Kaninchen halten eine Nacht lang Wache, vergraben die Kiste dann in einem großen Loch und singen Fuchs zum Abschied „Häschen in der Grube“.
Undramatisch, beinahe unbeschwert wird hier das Thema Tod verhandelt und – soweit das überhaupt möglich ist – nachvollziehbar gemacht: Als natürliches Ende, als Ausklang des Lebens, wenn man alt und müde und immer schwächer geworden ist. Die Zeit davor noch zu genießen, kann gelingen – mit guten Freund*innen und liebevoller Begleitung bis zum letzten Atemzug. Lebendig hingegen bleiben Geschichten und Bilder – Erinnerungen, die trösten und über den Verlust hinweghelfen. Auch das lernen die Kaninchen.
Antje Damm setzt den „Abgang“ des alten Fuchses in unverwechselbar-einzigartigem Stil in Szene; sie zeichnet, collagiert, arrangiert und fotografiert, macht damit jede Doppelseite zur Bühne, auf der sich der immer müder werdenden Fuchs inmitten der fidelen Kaninchenschar immer weniger bewegt. Tages- und Abendstimmungen, Gefühle und Befindlichkeiten der „Tierfiguren“ spiegeln sich in kongenialen Farbkompositionen, Körperhaltungen und Bewegungsdynamiken sowie oszillierenden Licht-Schatten-Effekten wider. Ebenso unaufdringlich wie selbstverständlich tauchen in jedem Bild „Requisiten des Todes“ auf – Grabkreuze und -steine, die sich über die Lichtung verteilen, und immer wieder die große Kiste, die am Ende ihren „eigentlichen“ Zweck erfüllt. Eine Kiste ist eine Kiste ist eine Kiste. Und manchmal auch ein Sarg, der in einem großen Loch „vergraben“ wird. Ein erfüllter, freudvoller Lebensabend, das Unfassbare und eine – trotz Ungewissheit – grundsätzliche Zuversicht finden in dieser von Leichtigkeit und leisem Humor durchzogenen Inszenierung ebenso Ausdruck wie Traurigkeit und Vermissen, Trost und ritualisierte Erinnerungen zum Schluss: Denn die Kaninchen dachten noch sehr lange an den alten Fuchs und wenn sie ihn besonders vermissten, aßen sie zusammen Tomatensuppe und erzählten sich seine Geschichten. Das half immer!

Ela Wildberger

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