Religiöses Buch im März 2020
Gabriel 2020. € 15, 50.
Rainer Oberthür: Die zehn Gebote.
Mit Bildern von Barbara Nascimbeni
Wie wollen wir leben? Das ist eine der neun Fragen, die an den Beginn dieses Textes gestellt werden. Dabei geht es um Fragen, die immer brandaktuell sind, sei es zu Zeiten der Entstehung der Bibel oder heute.
Die zehn Gebote stehen hier nicht frei und los gelöst vom biblischen Text, sondern werden mit einleitenden und abschließenden Worten gerahmt, wobei die Gebote klar im Buch Exodus und somit im Alten Testament verortet werden. Gleichzeitig wird aber auch relativiert, dass die Worte in der Bibel immer Überlieferungen sind, man als Leser*in also nicht wissen kann, wie es wirklich geschehen ist. Wie für Rainer Oberthür üblich werden die jungen Lesenden in ihrer Lebenswelt abgeholt und an die Glaubenswelt herangeführt, indem die Kinder direkt angesprochen werden und klargestellt wird, dass die zehn Gebote keinen Druck ausüben sollen, sondern Freiheiten eröffnen können.
Das Herzstück bilden die zehn Geboten, wobei jedem einzelnen eine Doppelseite eingeräumt und die linke Hälfte von Text dominiert wird. Grafisch wird das Bibelzitat durch Fettdruck und den Einsatz einer anderen Schriftfarbe hervorgehoben. Nach dem Bibelsatz, wie etwa DU SOLLST deinen Vater und deine Mutter achten und ehren folgt eine erklärende und deutende Passage des Autors. Dabei finden die unterschiedlichstes theologischen und philosophischen Aspekte Einzug: Neben dem Götternamen werden auch die Abbildung Gottes, Vertrauen zu Gott sowie ganz allgemein die Frage nach Liebe und Ehrlichkeit thematisiert; der Bibeltext in seiner historischen Rezeption stets mit dem Alltag der Kinder verknüpft. Abschließend zu den begleiteten Texten werden je drei meditative Zeilen gesetzt, die sich gleichsam einer Führbitte an Gott richten. Besondes hervorzuheben ist, dass das konkrete Gebot am Ende jeder Doppelseite erneut aufgegriffen und minimal verändert wird. Gemäß der Botschaft, dass auch Freiheiten eröffnet werden können, wird „sollst“ durch „wirst“ getauscht, wodurch die Konnotierung des Gebots durchwegs positiver ausfällt. Demnach heiß es dann DU WIRST deinen Vater und dein Mutter achten und ehren.
Unterstützt werden die Texte des Autors von den farbenfrohen Illustrationen der Italienerin Barabara Nascimbeni, die zum Teil sehr konkreten Szenen, wie etwa eine liebevolle Familie darstellen, zum Teil aber auch sehr viel Raum für eigen Interpretationen für die Lesenden lassen.
Mit der abschließenden Frage Wie wollen wir leben? wird der Stein zum gemeinsamen theologisieren und philosophieren angestoßen.
Alexandra Hofer
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