Ill. Vitalie Konstantinov.
Peter Hammer, 2019. € 20,60.

Jens Soentgen: Die Nebelspur. Wie Charles Wilson den Weg zu den Atomen fand.

„Wir leben in einer Welt der Dinge: der Stühle, der Tische, der Smartphones, der Kochlöffel und Kochtöpfe“, heißt es zu Beginn dieses besonderen Hybrids zwischen erzählendem Text und Sachbuch, das sich an Jugendliche ab 14 Jahren richtet. Wir leben aber auch in einer Welt, die voll ist von mikroskopisch kleinen Teilchen, alles, was der Mensch kennt, ausmachen und die mit dem bloßen Auge nicht wahrnehmbar sind: in einer Welt voller Atome.
Auf leicht verständliche Weise führt der deutsche Chemiker und Philosoph Jens Soentgen in diese Welt ein. Entlang der realen Biographie von Charles Wilson, ein schottischer Wissenschaftler, der schon in jungen Jahren eine Faszination für Wolken, den Nebel und das Wetter in den schottischen Highlands entwickelt hat, werden naturwissenschaftliche Phänomene erläutert und ganz nebenbei eine kleine Geschichte Schottlands inklusive des sagenumwobenen Ungeheuers von Loch Ness und die Entwicklung in der Naturwissenschaft bis zum Teilchenbeschleuniger im Cern in der Schweiz umrissen. Der Text ist dabei gespickt mit naturwissenschaftlichen Hard Facts, die dem Leser oder der Leserin wohl das eine oder andere Aha-Erlebnis bescheren werden, ohne dabei aus dem Blick zu verlieren, dass es sich um jugendliche Rezipient*innen handelt, die an die Welt der Atome herangeführt werden sollen. Gekonnt werden Analogien gefunden, um die unvorstellbar kleine Größe negativ, positiv oder neutral geladener Teilchen nachvollziehbar zu machen: „Aber selbst die Spitze eines Nähgarns, das vielleicht einen Durchmesser von einem hundertstel Millimeter hat, ist immer noch riesengroß im Vergleich zu den Atomen.“
Das Herzstück des Texts bildet die von Charles Wilson entwickelte Wolkenkammer, in der künstliches Wetter erzeugt werden kann. Getrieben durch seine Liebe zum Nebel entwickelte er nach einem Bauplan von John Aitken einen Apparat, mit dessen Hilfe es gelang, künstlichen Nebel zu erzeugen und bislang unbekannte Phänomene zu erforschen. Durch Weiterentwicklung und Präzisierungen des Verfahrens gelang es Wilson, das Verständnis über die Atome zu revolutionieren und einen Blick auf bislang Unbekanntes zu werfen.
Illustratorisch wird der Text von witzigen und detailgetreuen Bildern von Vitali Konstantinov begleitet, der als Farbleitsystem variantenreiche blau und schwarz Schattierungen wählt. Comichafte Panels und Skizzen finden sich dabei ebenso wie humoristische Darstellungen von schottischen Gepflogenheiten und Resultaten aus Wilsons Versuchen.

LESEN – SPRECHEN – TUN

LESEN – Altersentsprechend werden in diesem Buch viele, zum Teil sehr komplexe Vorgänge aus der Physik und Chemie sowie die Zusammensetzung unserer Welt geschildert. Die recht kurz gehaltenen Kapitel werden durch die Illustrationen immer wieder aufgelockert oder noch verständlicher gemacht.

SPRECHEN – Die unterschiedlichen Wissenschaftler*innen und deren Experimente und Forschungen laden ein, sich näher mit einzelnen von ihnen auseinanderzusetzen. In einem Gespräch kann beispielsweise näher auf Persönlichkeiten wie Marie Curie oder Henri Becquerel eingegangen und Jugendliche dazu animiert werden, sich mit einzelnen Aspekten aus Leben und Werk, die besonders interessant erscheinen, näher auseinanderzusetzen.

TUN – Den letzten Teil des Buches bilden sogenannte „Wolkenexperimente“, bei denen Jugendliche dazu eingeladen werden, das zuvor Gelesene ganz praktisch auszuprobieren. Mithilfe von haushaltsüblichen Dingen wie Salz, Spülmittel und Kaffee oder einfach der Natur können Wolken(formen) oder die eigenen Blutkörperchen ganz ohne Mikroskop beobachtet werden. Besonders praktikabel: Die Erklärung zu den jeweiligen Experimenten wird am Ende jedes Versuchs gleich mitgeliefert.


Alexandra Hofer

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