Katja Seifert: Auf in die Berge! Was Menschen in die Höhe treibt.
NordSüd 2025.

Extreme Leistungen unter extremen Bedingungen

Die im pakistanischen Karakorum-Gebirge tödlich verunglückte Sportlerin Laura Dahlmeier, deren Leichnam aus Sicherheitsgründen wohl nicht geborgen werden wird, Karawanen von ehrgeizigen Bergsteiger*innen, die an einem schwer verletzten Sherpa vorbeiziehen, ohne ihm zu helfen – einen breiten öffentlichen Diskurs erfährt das Bergsteigen meist dann, wenn etwas Dramatisches passiert. Aber wann eigentlich veränderte sich der Blick der Menschen auf die Berge vom mythisch aufgeladenen, unerreichbaren Sitz der Götter hin zur abenteuerlichen Herausforderung?  Welche Gefahren galt es dabei zu überwinden und welche Persönlichkeiten hatten dabei besondere Verdienste? Diesen Fragen widmet sich die österreichische Illustratorin Katja Seifert in ihrem ersten Sachbuch – das passenderweise bei NordSüd, einem Schweizer Kinderbuchverlag, erschienen ist. Bekannt geworden ist die Künstlerin durch ihre Illustrationen zu Gedichten von Lena Raubaum, und auf den ersten Blick scheint es nicht ganz naheliegend, ein so faktenorientiertes Thema ausschließlich in ihrem ganz eigenen, manchmal fast lieblichen Stil zu bebildern und auf andere Elemente zu verzichten – doch es gelingt. Seifert versteht es, technische Gegenstände wie Hygrometer oder Theodolit genauso detailliert ins Bild zu setzen wie historische Persönlichkeiten, gekleidet jeweils so, wie es in der damaligen Zeit üblich war. Das Thema Kleidung ist einer der Momente in der Geschichte des Bergsteigens, an denen sie detailliert auf die Position von Frauen eingeht: „Das Tragen von Hosen war lange Zeit ein Tabu für Frauen. Röcke erschwerten jedoch das Bergsteigen oder stellten sogar eine Gefahr dar.“ Die Leistungen von wenig bekannten Frauen wie Lilly Bristow, die gemeinsam mit Albert F. Mummery erstmals die Aiguille du Grépon (3842m) bestieg, werden ebenso beleuchtet wie die umstrittene Kristin Harila, die ihre Rekordleistungen in den letzten Jahren mit Methoden wie Hubschrauberflügen und Flaschensauerstoff erreichte. Der historische Bogen wird dabei also von den Anfängen des Bergsports im 18. Jahrhundert, damals eng verknüpft mit den entsprechenden wissenschaftlichen Erkenntnissen, bis zur heutigen Social Media-Inszenierung und der ökologischen Problematik des zum Massengeschäft gewordenen Besteigens von berühmten Gipfeln gespannt. Seinen differenzierten und gleichzeitig sehr präzisen Zugang beweist das Buch nicht zuletzt im Nachwort, wo unter anderem darauf hingewiesen wird, dass die hier angewandte Perspektive eine vorwiegend westliche auf den klassischen Alpinismus ist.

Kathrin Wexberg

 

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