Lektorix des Monats Februar 2006
Heinz Janisch / Aljoscha Blau: Rote Wangen
Ill. Aljoscha Blau.
Aufbau Verlag 2005
Rote Wangen vom Zuhören
Sie kennen die Werbung von dem berühmten Fruchtsaft, der zwar
gut verschließbar aber auch so süß ist, dass schon
kleinste Mengen vom Bären gewittert werden? Sie können
das fast nicht glauben? Aber als Großvater noch ein kleiner
Junge war, da hat er einmal einen so süßen Honigkuchen
gegessen, dass ihm eine Biene überall hin gefolgt ist
sogar aufs Klo! Dieser Großvater, von dem Heinz Janisch oft
und gern und sehr berührend erzählt, hat auch einmal eine
Schublade mit Wasser gefüllt, spiegelglatt und wunderschön
hat das ausgesehen. Oder beim Fußballspielen den Ball so hoch
in die Wolken geschossen, dass es ganz stark zu regnen angefangen
hat. Mit blauer Tinte und auf liniertem Papier mit roten Korrekturrandlinien
werden die Episoden vom Enkel in schöner Schul-Druckschrift
festgehalten: So werden - mit einigen wenigen Tintenklecksen und
kleinen Skizzen - Großvaters Geschichten von früher auf
den linken Seiten nacherzählt, während die Buchseiten
daneben in großzügigen Bildern die Atmosphäre vergangener
Tage spiegeln und den besonderen und erzählenswerten Momenten
eines Lebens nachgehen. In teils gedämpften Sepia-Farben spielen
Licht und Schatten ihre geheimnisvolle Rolle. Die Darstellungen
des Alltags erhalten unter dem Blick des Jungen ihre besonderen
Glanzlichter. Die Lust an Übertreibungen und Absurditäten
wird von Aljoscha Blau durch aufmerksam gewählte Details witzig
ins Bild gesetzt. Dieser Großvater ist ein wirklich leidenschaftlicher
Geschichtenerzähler, der sich das Gefühl für Pointen
bewahrt hat und für die besondere Sichtweise auf die Welt und
die Menschen. Und ein Gefühl für das Staunen. Und auch
die Liebe, deretwegen er einfach rasch eine Brücke baut, um
dem netten Mädchen dort ein Bonbon anzubieten: Heute
ist Lili meine Oma, erzählt der mit Begeisterung und
roten Wangen lauschende Enkel weiter. Und dass der Großvater
einmal sehr krank geworden ist und in seinem Bett eine Weltreise
unternommen hat. Seither wird er allerdings langsam durchsichtig,
was der guten Beziehung zwischen den beiden aber keinen Abbruch
tut, sondern nur neue Ideen und Streiche entlockt. Obwohl die anderen
längst sagen: Großvater? Ach, der ist doch schon
vor einem Jahr gestorben!
Ein wunderschönes Buch zum Vorlesen und eigenem Erinnern.
Inge Cevela
Übrigens ist dieses Buch anlässlich der Buchmesse in Bologna soeben mit dem Bologna Ragazzi Award im Bereich Fiction ausgezeichnet worden! Mehr dazu
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