Kröte des Monats Oktober
2015
Gelesen von Stefan Kaminski
Musik von
Ulrich Maske
Jumbo Goya libre 2014 - 2015
jeweils 3 CDs
Die gleichnamigen Bücher, aus dem amerikanischen Englisch
von Ilse Rothfuss, sind im Ravensburger Buchverlag erschienen.
Kathryn Lasky: Der Clan der Wölfe I - V
Kann ein Instrument alleine ein ganzes Orchester imitieren? Oder genauer gefragt: Kann ein Mensch allein ein ganzes Orchester imitieren, wenn man die Tonspuren der einzelnen Instrumente digital übereinander legt? Warum nicht. Man kann auch mit der Fähigkeit zur Stimm-Modulation ein Hör-Erlebnis schaffen, für das üblicherweise ein umfassender Cast an Schauspieler*innen notwendig wäre. Es gibt Hörbücher, nach deren Genuss man erwartungsvoll naschschlägt, wer hier aller stimmlich mitgearbeitet hat. Und bemerkt erstaunt: Gelesen von Stefan Kaminski.
Er ist seit 2001 am Deutschen Theater in Berlin beschäftigt und war an diesem Haus auch für eine der genialsten Theaterproduktionen des 21. Jahrhunderts maßgebend: Im Alleingang wurde von ihm Wagners Ring der Nibelungen zur Aufführung gebracht. (Die Inszenierung war an drei aufeinanderfolgenden Tagen auch im Wiener Rabenhof zu sehen.) Buch, Regie und alle Rollen, hieß es, wenn Sprach-Wunder Stefan Kaminski den Opern-Zyklus (mit Unterstützung von Sebastian Hilken und Hella von Ploetz (Musik) in eine Sprech-Inszenierung übersetzt hat, die ihresgleichen sucht. Das jeweilige Making-Of zu
zu Rheingold, Walküre, Siegfried und Götterdämmerung lässt sich auf auf YouTube bestaunen.
Im Angesicht dieser Produktion wirken Synchronisationen (er ist Kermit der Frosch) oder Hörbücher wie Fingerspiele. Die Stefan Kaminski dennoch allesamt mit Totaleinsatz präsentiert – von Kevin Hearnes „Chroniken des Eisernen Druiden“ bis hin zu Kathryn Laskys „Die Legende der Wächter“. Der Welt dieser Eulen-Saga entspringt auch Kathryn Laskys neue Serie „Der Clan der Wölfe“ zu deren Bänden im Ravensburger Verlag stets zeitgleich auch Hörbuch-Versionen erscheinen.
Stefan Kaminski zeichnet darin nicht nur die einzelnen Tier-Figuren sprachlich individuell nach, sondern übersetzt auch die Sprache der Wolfs-Clans in Mündliche – vom Byrrgis bis zum Tummfraw, vom Hwlyn bis zum Lochinvyrr. Kathryn Laskys Saga entspringt der Tradition des klassischen Tierromans und nutzt dabei sprachliche Anleihen ans Irische oder Gälische gleichermaßen wie an keltische Traditionen. Westlich der Hoole-Königreiche (der Eulen-Saga) etabliert sie eine in sich geschlossene sekundäre Welt, in der unterschiedliche Wolfsrudel leben, die durch ein strenges Gesetz und jahrhundertelang überlieferte Rituale miteinander verbunden sind. Diese Gesetze beinhalten auch das grausame Ritual, deformierte Wölf*innen, so genannte als verflucht geltende Malcadhe, sofort nach ihrer Geburt jenseits der Hinterlande auszusetzen. Mit unsicherer Stimme folgt Stefan Kaminski dem neugeborenen Faolan, der tapsig und noch blind sein Leben auf einer Eisscholle zu retten versucht. Geborgen wird er von einer Bärin, die soeben ihr Junges verloren hat, und die Faolan seine zweite Milchmutter nennen wird. Noch bevor er sie richtig erkennen kann, gibt er ihr den titelgebenden Namen „Donnerherz“. Von ihr aufgezogen ist Faolan nicht nur gut genährt, sondern vermag auch auf seinen Hinterläufen zu stehen und setzt so das Moment des Außergewöhnlichen / Auserwählten fort, das sich bereits in einer Markierung seiner gespaltenen Pfote mit einer Spirale zeigt. Träume und Flash-Backs, aber auch Faolans besondere Beziehung zur Maskenschleiereule Gwyneth oder zur alten Sumpfhexe Sarg unterstützen diese besondere Rolle, die Faolan wohl in der Geschichte des Clans der Wölfe spielten wird. Bereits mit der festen Stimme eines ausgewachsenen Wolfes vermag Faolan nach dem Tod von Donnerherz in den Clan der McDuncans zurückzukehren, deren stimmlich gleichermaßen stark wie altersschwach intonierter Anführer Duncan McDuncan Faolan dem Gesetz entsprechend an unterster Stelle der Clan-Hierarchie aufnimmt: als Knochennager. Faolan jedoch erweist sich als besonders talentiert in dieser prototypischen Profession wölfischer Geschichtsschreibung. Mit viel Häme lassen sich hier neiderfüllte andere Knochennager wie Heep, oder aber gleichermaßen Ausgegrenzte wie der ton-lose Pfeifer sprachlich in Szene setzen. In „Schattenkrieger“ jedoch zeigt sich, dass in Faolans Kraft, Mut und Jagdtalent das Potential zum raschen Aufstieg innerhalb des Rudels schlummert – auch wenn sein Drang zur Grenzüberschreitung rasch ruchbar wird. Doch seine Loyalität und Bereitschaft, für die Überzeugungen der Wölfe einzustehen, machen ihn zu einem der „Feuerwächter“, einem Mitglied der Garde, die am so genannten Kreis der heiligen Vulkane dient. Gemeinsam mit der einäugigen, samtstimmigen Wölfin Edme deckt er in „Eiskönig“ die Machenschaften einer Wolfs-Sekte auf und rettet ein Bärenjunges, mit dessen Entführung die Wolfsgemeinschaft erpresst wird. Der bisher letzte vorliegende Band setzt mit einem gewaltigen Erdbeben ein. Die durchaus an Island erinnernde Insel-Geologie im Reich der Wölfe wird dabei ebenso umfassend durcheinander gebracht wie das soziale Gefüge der Wolfs-Clans – auch weil sich an dieser Stelle die magischen Erzählmomente verdichten. Wird der „Knochenmagier“ sich weiterhin bewähren?
Es ist eine Welt voller Pathos, in die Kathryn Lasky führt; eine Welt voller fremder Rituale und Gesetzmäßigkeiten, die Stefan Kaminski über die Bände hinweg zu immer vertrauteren Formeln einer animalischen Miniaturwelt umdeutet. Es liegt an ihm, dass jeder neue Band im Sinne des wölfischen Gaddergladders begrüßt wird – dem Palaver, das der Großwildjagd vorausgeht.
Heidi Lexe
Wer im stürmischen Herbst noch mehr Stunden mit den Kopfhörern auf den Ohren verbringen will, dem sei unsere neue >>> Buchliste ans Herz gelegt: Zahlreiche Hörbücher und Hörspiele, geliebt und empfohlen vom STUBE-Team, sind dort zusammengestellt.
Eine Sprecherin, die sich auf der Empfehlungsliste immer wieder findet ist (neben Stefan Kaminski) Maria Koschny: Die Hörbuch- und Synchronsprecherin war auf der Fernkurs-Tagung "Wilde Hühner – Zahme Nerds
Neue Rollenbilder in der Kinder- und Jugendliteratur" zu Gast und erzählte von ihrer Arbeit. Einen umfassenden Rückblick auf die Tagung gibt es >>> hier
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