STUBE-Freitag: Quadrille
Neuvorstellungen aus dem Frühjahr
Selbstverständlich, so lernt und staunt man immer wieder, ist gar nichts. Nicht einmal die vermeintlich kleinen Dinge wie z. B. eine fachlich fundierte Veranstaltung mit Herzlichkeit, Humor und gastlichem Ambiente auszustatten. Weil aber die STUBE genau diese Qualitäten in ihrer DNA festgeschrieben hat, war dieser STUBE-Freitag ein Fest des Heimkommens. Zum ersten Mal seit zweieinhalb Jahren wurden wieder im Seminarraum der STUBE Bücher aus der aktuellen Produktion besprochen. Interessant, lehrreich und lustig, im gewohnten Stil also, und man ist dankbar für diese gar nicht mehr so selbstverständliche Normalität!
Das STUBE-Team hat sich in der dritten Runde des Aus-der-Reihe-Tanzens die Quadrille zum Motto gewählt und verwandte Begriffe ausgelost, zu denen dann assoziative Bücherlisten erstellt wurden.
Julia Lückl widmete sich der Mitternachts-Quadrille. Dieser auf den Grund gehend entdeckte sie unter den kuriosen Benennungen der einzelnen Quadrille-Teile auch die „Hirtin". Was liegt da näher als an „Heidi" zu denken und auf eine neue Ausgabe bei Atlantis mit den Illustrationen in Schabkartontechnik von Hannes Binder hinzuweisen. Zur Mitternacht brachte sich der „Sandmann" ins Spiel, ebenfalls neu erzählt und neu illustriert in der Weltklassikerreihe bei Kindermann. Da bei der Mitternachts-Quadrille die einzelnen Schritte angesagt werden, darf man davon ausgehen, dass die teilnehmenden Tänzer*innen nicht notwendigerweise wissen, was sie tun. Dass aber immer der Herr voraus und die Dame hinterher müsse, wollte man nicht widerspruchslos hinnehmen, weshalb „Die großen Philosophinnen und Philosophen" Persönlichkeiten portraitieren, die sich immerhin Gedanken darübermachen, was sie da eigentlich tun.
Unter dem Motto Quadrillion stellte Sarah Auer den unermesslichen Reichtum eines Elon Musk, der sich ins noch viel Unermesslichere steigern müsste, um eine Quadrillion, nämlich eine Eins und vierundzwanzig Nullen, zu erreiche, in Zusammenhang mit „Alles Geld der Welt", das die Geschichte des Geldes nachzeichnet. Wie es sich mit Nullen und Einsen, also einem dualen System verhält, wird in „Brummps. Sie nannten ihn Ameise" zwar nicht exakt erörtert, aber es erzählt zumindest die Geschichte eines Außenseiters, der sich als einzelner Mistkäfer einem Kollektiv von entindividualisierten Ameisen gegenübersieht.
Im Zeichen der Fledermaus-Quadrille machte sich Alexandra Hofer auf die Suche nach Fledermäusen in „Eines Nachts im Paradies", das auch die >>> Kröte des Monats Mai ist, und in „Die große Minibibliothek der Wörter: Natur und Tiere". Des Weiteren fand sie heraus, das „Die Fledermaus" zwar von Johann Strauss Vater ist, die Fledermaus-Quadrille hingegen von Johann Strauß Sohn, was allerdings mit den familiären Konflikten, Konstellationen und Leerstellen in „Schallplattensommer" rein gar nichts zu tun hat.
Das Los des Quadrats fiel auf Mathe-Anti-Expertin Kathrin Wexberg, die sich mit Hans Magnus Enzensbergers „Der Zahlenteufel. Ein Kopfkissenbuch für alle, die Angst vor Mathematik haben" zur Wehr zu setzen verstand. Die heurige Jubiläumsausgabe bei Hanser lässt erahnen, dass der Titel nach wie vor mehrheitsfähig ist. Weitere, nicht unbedingt quadratische Rätsel gaben „Das geheimnisvolle Leben der Kröten" und „Nachrichten von Micah" auf, denn der Kröten-Zusammenhang erschließt sich nicht unmittelbar und Nachrichten von Micah gibt es auch keine, weil das Buch ja gerade davon handelt, dass er eben verschwunden ist und nichts von sich hören lässt.
Claudia Sackl durfte auf den Spuren der Hummer-Quadrille bei „Alice in Wonderland" Anleihen nehmen und stellte Cornelia Travniceks „Harte Schale, Weichtierkern" vor, das ähnlich wie „Papierklavier" ein Auftragswerk ist, bei dem der Verlag Vorgaben zu Form und Inhalt machte und so drauf und dran ist, ein neues Genre zu etablieren. Vom Hummer ist es nicht mehr ganz so weit zur „Faszination Krake", das das „Wesen einer unbekannten Welt" vorstellt, und von da ging es gleich weiter in den „Untergrund", ein Buch, das alle Sphären des Unterirdischen durchleuchtet.
Heidi Lexe machte kein Hehl aus der Enttäuschung über ihr gezogenes Los: Quartett bietet als Motto nun herzlich wenig Entfaltungsmöglichkeiten, auch wenn man sich listig an Reimschemen, Sonette und sonstige Dichtung heranpirscht. Als sehr spannend entpuppte sich jedoch „Das Wort mit Sch...", das seine lyrische Form erst in der Bild-Text-Kombination entfaltet. „Ein ziemlich unsichtbarer Freund" präsentiert schließlich ein hinreißendes Quartett, das auf die Frage, was mit dem imaginären Freund eigentlich passiert, wenn das Kind einen echten Freund findet, ein happy end parat hat.
Das Ende dieses Abends, bei dem Sarah Auer und Julia Lückl höchst charmant und souverän ihr STUBE-Freitags-Debut gaben, war ebenfalls überaus happy: bei Speis und Trank und angeregten Gesprächen kehrte man zur hoffentlich bleibenden Normalität zurück. Beglückend, aber nicht selbstverständlich.
Ein Bericht von Alexandra Holmes
Literaturliste
Peter Stamm / Hannes Binder: Heidi. Nach der Geschichte von Johanna Spyri. Zürich: Atlantis 2022.
Eduard Mörike / Hannes Binder: Um Mitternacht. Zürich: Bajazzo 2009.
E.T.A. Hoffmann: Der Sandmann. Neu erzählt v. Anna Kindermann. Illustriert v. Dorota Wünsch. Berlin: Kindermann 2022.
Clive Gifford / Sam Kalda: Die großen Philosophinnen und Philosophen. Aus d. Englischen v. Gabriele Würdinger. Berlin: Insel 2022.
Bauer, Johnny und Stephan Lomp: Kaya & Flo. Rambazamba im Kaufhaus. Hamburg: Kibitz 2022.
Konstantinov, Vitali: Alles Geld der Welt. Vom Muschelgeld zur Kryptowährung. Hildesheim: Gerstenberg 2022.
Zipfel, Dita und Bea Davies: Brummps. Sie nannten ihn Ameise. München: Hanser 2022.
Jürg Schubiger und Rotraut Susanne Berner: Eines Nachts im Paradies. Peter Hammer 2022.
Joëlle Tourlonias: Die große Minibibliothek der Wörter: Natur und Tiere. Anette Betz 2022.
Regina Wenig und Liliane Oser: Bauer Errfin und der Kongokäfer. Moritz 2022.
Sophie Cleverly: Violet und Bones. Der lebende Tote von Seven Gates. Aus d. Engl. v. Birgit Erdmann. mixtvision 2022.
Alina Bronsky: Schallplattensommer. dtv 2022.
Hans Magnus Enzensberger: Der Zahlenteufel. Ein Kopfkissenbuch für alle, die Angst vor der Mathematik haben. Ill. v. Rotraut Susanne Berner. München: Hanser 2022. Jubiläumsausgabe, Original 1997.
Armin Kaster: Das geheimnisvolle Leben der Kröten. Wien: Jungbrunnen 2022.
Alison McGhee: Nachrichten von Micah. Aus dem Engl. v. Birgitt Kollmann. München: dtv 2022.
Cornelia Travnicek: Harte Schale, Weichtierkern. Mit Ill. v. Michael Szyszka. Weinheim: Beltz& Gelberg 2022.
Czech, H, (2018) Hans Asperger, National Socialism and „race hygiene“ in Nazi-era Vienna”. Molecular Autism, https://link.springer.com/article/10.1186/s13229-018-0208-6
Michael Stavarič / Michèle Ganser: Faszination Krake. Wesen einer unbekannten Welt. leykam 2021.
Annette Maas / Horst Hellmeier: Im Untergrund. Verborgene Welten entdecken. arsEdition 2022.
Andrea Karimé / Raffaela Schöbitz: Planetenspatzen. Picus 2022.
Eoin Colfer/Oliver Jeffers: Ein ziemlich unsichtbarer Freund. Aus dem Englischen von Martin Baltscheit. München: dtv. 2022.
Karen McManus: You will be the death of me. Aus dem amerikanischen Englisch von Anja Galić. München: cbj 2022.
Johan Egerkrans: Drachen. Aus dem Schwedischen von Maike Dörries. Zürich: WOOW Books 2022.
Ute Wegmann: Manchmal bist du überall. Geschichten & Gedichte. Illustriert von Thomas Müller. München: dtv. 2022.
Michael Hammerschmid / Maria José de Telleria: wer als erster. Wien: Jungbrunnen 2022.
Josef Guggenmos: Es flüstert & rauscht. Naturgedichte für Kinder. Hg. v. Stefanie Schweizer. Weinheim: Beltz&Gelberg 2022.
Nadine Kappacher: Das Wort mit Sch … Wien: Tyrolia 2022.
Der Besuch des STUBE-Freitags ist im Angebot der STUBE-Card enthalten, die >>>hier bestellt werden kann.