Illustrations-Tandem: STUBE-Freitag am 2. Dezember 2022
Zu Gast: Julie Völk und Tobias Krejtschi
„When shall we three meet again
In thunder, lightning, or in rain?"
Moment mal! Wer „wir drei"? Und welches Unwetter in diesem bisher eher zaghaften Winter? – Gemach. Gleich lichtet sich, was die Hexen aus der Tragödie, deren Titel mit „Mac" beginnt und mit „beth" endet, in der STUBE zu suchen haben (und ja, „The Scottish Play" darf bis heute nicht ausgesprochen werden... he, who must not be named gibt's nicht erst seit Volde....)
Da nämlich der STUBE-Freitags-Rummelplatz nach Karussell und Scooter an diesem Abend ein Tandem besteigt und es sich mit einem Tandem am besten zu zweit fährt, sind Julie Völk und Tobias Krejtschi gemeinsam zu Gast in der STUBE, um im Werkstattgespräch mit Heidi Lexe von ihren illustratorischen Ausflügen in unterschiedliche literarische Welten zu erzählen.
Gleich zu Beginn führt uns Tobias Krejtschi mit seiner Illustration von Theodor Fontanes Ballade „Die Brück' am Tay" nach Schottland, wo sich 1879 ein verheerendes Zugunglück ereignet hatte, bei dem in einem Sturm die Brücke über die Firth of Tay ein- und der Zug ins Meer abgestürzt war. Faszinierend vielschichtig dabei ist, dass der Zeitgenosse und Realist Fontane das Unglück nicht nur als einen Kampf zwischen Natur und Technik inszenierte, sondern seiner Dichtung das Shakespeare-Zitat der Hexen voranstellte und damit das Geschehen um die Dimension des Magischen erweiterte.
Tobias Krejtschi erklärt seine Arbeitsweise von Textanalyse und Recherche über Figurenentwurf und Seiteneinteilung bis hin zum Storyboard und Farbkonzept. Neben diesen technischen Details legt er großen Wert auf eine Wahrhaftigkeit, die das historische Ereignis mit Leben und Menschlichkeit, aber auch mit Humor erfüllt. So entsprechen nicht nur die Brücke und der Zug der realen Vorlage, sondern auch eine Taschenuhr, die genau zum Zeitpunkt des Unglücks stehengeblieben war, wird zum bedeutenden Requisit. Dichter und Illustrator sind schließlich augenzwinkernd in Bildern an der Wand verewigt. Die Hexen, die man als Auslöserinnen des Unglücks verstehen darf, verkörpern in Steampunk-artigen Masken von Vogel, Fisch und Fuchs die Elemente Luft, Wasser und Feuer. Der berühmte Schlussvers der Ballade, dass alles Gebild' aus Menschenhand Tand sei, ist zumindest auf dieses Buch nicht anwendbar.
Selbiges gilt für „Zur Zeit, wo das Wünschen noch geholfen hat", Julie Völks Illustration Grimm'scher Märchen im Text aus erster Hand. Auch hier gelingt es, eine Brücke vom alten Text zur modernen Illustration zu schlagen und eine Kombination zu schaffen, die beredt ist, bewegt und einen neuen Blick eröffnet. Julie Völk schickt voraus, dass erst der alte Text neue Bilder im Kopf entstehen ließ und sie motivierte, die bekannten Märchen neu zu lesen. Die Sprache sei rauer und unmittelbarer, die Figuren ehrlicher, und der Blick folgt den weiblichen Figuren. So gibt es in diesem Buch kaum ein erwartbares Motiv – wie zum Beispiel Rapunzel mit Turm und Zopf, sondern eine Darstellung der emotionalen Szenen und inneren Vorgänge – Rapunzel mit kurzem Haar in tiefster Verzweiflung.
Zum technischen Ablauf ihrer Arbeit erzählt Julie Völk, dass sie alles auf Papier malt, nicht am Computer, dass die Bilder oft kaum größer sind als das Format im Buch und dass ein Märchenbuch schlicht zu groß ist, um ein Storyboard zu entwerfen. Die roten Vignetten sind keine Schmuckvignetten, sondern erzählen und bringen Dynamik, während die großen Farbbilder Stimmungsbilder sind und ein Innehalten bedeuten, nicht notwendigerweise nur im dramaturgischen Sinne, sondern auch, um sich in der Wärme und Tiefe dieser Farben zu verlieren.
Die Tandemfahrt fand in Kooperation mit dem >>> Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis der Deutschen Bischofskonferenz statt, und wer nun ganz gierig den Link zum Video-on-demand sucht, sei hiermit enttäuscht: Zu diesem STUBE-Freitag wird es kein Video-on-demand im internen STUBE-Card-Bereich geben.
„The hurlyburly's done."
Doch Trost ist zur Stelle in Form des >>> STUBE-Adventkalenders, der Ihnen mit den besten Wünschen für eine besinnliche Zeit ans Herz gelegt sei.
Bericht von Alexandra Holmes