STUBE-Freitag: Andante. Politisches Zwischenspiel
Zu Gast: Brita Wilfling (NGO-Expertin)
06. November
Einerseits wollte dieser STUBE-Freitag nicht als launiges Intermezzo verstanden werden, das aus dem Literaturbetrieb ausschert, indem es zur Abwechslung einmal einen Gast mit fachfremder Expertise einlädt. Und andererseits konnte zum Zeitpunkt der Planung niemand damit rechnen, wie sehr die Themenwahl am Puls der Zeit sein würde. Denn in ganz anderer Hinsicht erschütterte diese Woche das Land und ereignete sich als monströses Zwischenspiel zu all dem, was mitsamt Pandemie in unserer Welt denkbar schien. Der Terroranschlag verzögerte den zweiten Lockdown, Wien (und Österreich) gab das Attribut „Insel der Seligen“ endgültig ab, und das „goldene Wienerherz“ schüttete sich in markanter Wortwahl aus.
Und die STUBE mitten drin! Nicht nur geographisch, sondern auch inhaltlich, denn diesmal ging es um eine vielschich- tige Auseinandersetzung mit Menschenrechten und politischen Themen in der aktuellen Kinder- und Jugendliteratur. Zu Gast war Brita Wilfling, die als NGO-Expertin (Amnesty International, Entwicklungshilfeklub), gemeinsam mit dem STUBE-Team ausgewählte Lektüre besprach und mit Antworten aus ihrem beruflichen Kontext diese einzuordnen half.
Heidi Lexe führte durch die Gespräche. Im ersten erzählte Brita Wilfling zunächst, wie die Teilnahme an einer Jugendkonferenz der UNO zum Auslöser ihres Engagements in NGOs und (trotz ihres technischen Studiums) zum Beruf wurde. Sie erklärte, dass es mehrere Generationen von Menschenrechten gibt, die der gesellschaftlichen Entwicklung und der immer wieder neu zu beleuchtenden Frage nach Freiheit und Gerechtigkeit geschuldet sind.
Kathrin Wexberg präsentierte Patricia McCormicks „Verkauft“, in dem es um ein Mädchen geht, das von seinem Stiefvater verkauft, versklavt und zur Prostitution gezwungen wird. Brita Wilfling sprach dazu über die Benachteiligung von Frauen in Indien und Nepal sowie darüber, wie der Mangel an Bildung und allgemeiner Versorgung zu Abhängigkeit und Ausbeutung führt.
Claudia Sackl stellte Zana Fraillons „Wenn nachts der Ozean erzählt“ vor, das in einem australischen Flüchtlingslager auf einer Insel angesiedelt ist und in dem die Verhältnisse teilweise umgekehrt werden, weil der Junge im Lager lesen kann und dem freien Mädchen draußen durch sein Vorlesen hilft. Dazu erklärte Brita Wilfling, was es mit der australischen „Nicht-Migrations-Zone“ auf sich hat, dass jeder einzelne Staat für Organisation und Betrieb der Flüchtlingslager auf seinem Territorium selbst zuständig ist und dass zwar Flucht keine Straftat darstellt, dass aber die große rechtliche Herausforderung darin besteht, das Recht auf Freiheit, Bildung usw. mit der Wahl des gelindesten Mittels im Vollzug in Einklang zu bringen.
>>>Link zu Arbeitsblättern (englisch, PDF)
Peter Rinnerthaler sprach schließlich über Sarah Crossans „Wer ist Edward Moon“, in dem vermittelt wird, wie es jemandem geht, dessen naher Angehöriger zum Tod verurteilt ist, wobei der Kriminalfall und die Schuldfrage komplett ausgespart bleiben. Brita Wilfling steuerte dazu zwei Facetten bei: Einerseits kann die Frage, ob es legitim sei, aus einer staatlichen Machtposition heraus jemanden zum Tod zu verurteilen, vor allen deshalb nur verneint werden, weil die ins Rennen geführten Begründungen durchwegs menschenunwürdige Argumente sind. Andererseits sind die Zahlen ernüchternd: Die Todesstrafe gibt es zwar nur mehr in einem Drittel aller Länder, aber in diesem Drittel leben zwei Drittel der Menschheit.
Ein Bericht von Alexandra Holmes
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