Unter Wölfen.
Käthe Recheis - Literatur und Politik
Sozusagen wortwörtlich geriet die STUBE von 1. bis 2. März "Unter Wölfe": Unter großen Pappfiguren der ursprünglich von der Illustratorin Karen Holländer stammenden Tiere fanden Expert*innen zusammen, die sich dem Leben und Werk von Käthe Recheis widmeten.
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Anlass gab eine von Kerstin Gittinger kuratierte Ausstellung, die noch bis zum 17. April 2018 im Linzer StifterHaus zu sehen ist und auf dem Nachlass der 2015 verstorbenen Autorin fußt. Rund um den 90. Geburtstag, den Käthe Recheis im März gefeiert hätte, wurde in den Räumlichkeiten der Ausstellung nach dem Spannungsfeld von literarischem Werk und politischer Welthaltung der Autorin gefragt.
Das Fernrohr wurde dabei zum Symbol für einen (erneuten) Blick auf Käthe Recheis: Einerseits wurde zurückgeblickt auf ihre literarische Entwicklung, andererseits wurde auf Details einzelner Werke sowie deren Ideologie und Erzählverfahren fokussiert.
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Kerstin Gittinger, Kuratorin der Ausstellung, die gemeinsam mit dem Team des StifterHauses und Sonja Loidl von der Universität Wien das Symposion organisierte.
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Am ersten der beiden Symposionstage standen vor allem die Indianer-Bücher von Käthe Recheis im Mittelpunkt: Georg Bydlinski, Autor und Wegbegleiter von Käthe Recheis, gab in seinem eröffnenden Vortrag Einblicke in Käthe Recheis‘ dreifache Indianer-Bibliothek. Er warf den Blick auf Recheis‘ private Sammlung über indigene Kulturen, typologisierte deren Sammlung repräsentativer Texte nordamerikanischer indigener Literatur und sprach über das gemeinsame Übersetzen und Herausgeben indigener Gedichte. Im Anschluss daran analysierte Claudia Sackl, Mitarbeiterin der STUBE (Bild links), in ihrem Vortrag „Simulationen des Anderen?“ die Indianer-Darstellungen in Recheis-Werken in Text und Bild und machte deutlich, dass nach der Jahrtausendwende viele der anfänglichen Klischeebilder über Indianer wieder in die Illustrationen zurückgekehrt sind und nur einige Ausgaben aus den 1980er- und 90er-Jahren, aber leider kaum aktuelle Publikationen auf die Diversität und Komplexität nordamerikanischer indigener Kulturen eingehen. Andreas Scherney rundete mit einem enthusiastischen, persönlichen Bericht über das Engagement von Käthe Recheis für Indianerschulen in den USA und Bolivien ab, die heute unter dem Label KRIP weitergeführt werden.
Die Bedeutung, die die STUBE (in Linz auch durch Kathrin Wexberg, Bild rechts, vertreten) bereits in den 1970er-Jahren für Käthe Recheis und die sich damals um sie herum konstituierende Gruppe Wiener Kinderbuch-Autor*innen hatte, zeigte Georg Huemer in seinem abschließenden Vortrag.
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Der zweite Tag wurde von Kerstin Gittinger eröffnet, die in ihrem Vortrag eindrücklich vor Augen führte, wie früh Käthe Recheis Schuld und Verantwortung literarisch thematisierte. Anders als in Werken anderer Autor*innen dieser Zeit, reflektieren die kinderliterarischen Alter-Egos der Schriftstellerin in „Das Schattennetz“ und „Lena. Mein Dorf und der Krieg“ bereits kritisch eine kollektive Mitschuld am Holocaust. Ein sich dabei bereits abzeichnender humanistischer Grundgedanke wurde von Christian Schacherreiter (Bild oben links) ausgeführt und am Werk „Wolfsaga“ exemplarisch gezeigt. Dem Moment des explizit Politischen widmete sich auch Ernst Seibert (Bild oben rechts) in seinem Vortrag über „London, 13. Juli“ und zeigte dabei das Spannungsverhältnis von Nicht-Vergessen und Verdrängen, das in unterschiedlichen Werken von Käthe Recheis zum Erzählanlass wird.
Das Moment des explizit Politischen zeigt sich auch im phantastischen Roman „Der weiße Wolf“, den Heidi Lexe, Leiterin der STUBE (Bild unten rechts), einem Genre-Vergleich mit „Harry Potter“ unterzog und dabei die Aspekte von Faschismus und politischem Widerstand herausstrich. Auf ganz wunderbare Weise ergänzte der abschließende literarische Beitrag der Autorin Andrea Winkler (Bild unten links) diese motivische Analyse; denn die essayistische Analyse von Andrea Winkler folgte ebenfalls den drei Hauptfiguren, fokussierte aber nicht auf deren kollektive Kraft, sondern auf deren je individuelle, von der Traum-Figur des weißen Wolfes beeinflusste Entscheidungen.
Die Teams der Ausstellung, des Symposions, des StifterHauses und der STUBE: Kerstin Gittinger, Andrea Winkler, Claudia Lehner, Regina Pintar, Julia Krokoszinski, Heidi Lexe, Sonja Loidl, Petra-Maria Dallinger und Claudia Sackl (v.l.)
Hinweise zu:
Unter Wölfen. Käthe Recheis. Literatur und Politik.
Das StifterHaus hat einen wunderbaren, reich illustrierten Reader zur Ausstellung zusammengestellt. Kuratorin Kerstin Gittinger folgt dabei der Biografie der Autorin und stellt Faksimile der Ausstellungsstücke (darunter zahlreiche Fotos) an die Seite vielfältiger Zitate sowie Informationen zu Leben und Werk.
Der Tagungsband, herausgegeben von Kerstin Gittinger und Sonja Loidl, mit allen Beiträgen des Symposions wird bereits zur Finissage der Ausstellung am 17. April 2018 erscheinen. Die STUBE präsentiert den Band im Rahmen des STUBE-Freitag am 15. Juni 2018, der zur Reihe "Als Österreich noch am Meer lag ..." Ein STUBE-Freitag Schwerpunkt im Jahr 2018" gehört: Station 4: In den (Bücher-) Bergen. Neuvorstellungen.
Weitere Hinweise
Die Ergebnisse jenes Symposions, das 2008 in Kooperation von STUBE und Österreichischer Gesellschaft für Kinder- und Jugendliteraturforschung im StiferHaus in Linz stattgefunden hat, wurden in einem Band der Reihe Kinder- und Jugendliteraturforschung in Österreich publiziert: Heidi Lexe & Kathrin Wexberg (Hg.): Der genaue Blick. Weltbild und Menschenbild im Werk von Käthe Recheis. Wien: Praesens Verlag 2013.
Der Band wurde anlässlich des 85. Geburtstages von Käthe Recheis im Mai 2013 in der STUBE präsentiert; es war der letzte öffentliche Auftritt von Käthe Recheis in Wien.
Nach dem Tod der Autorin wurde im Tagebuch des STUBE-Homepage ein >>>Erinnerungsbuch angelegt, das selbstverständlich immer noch eingesehen und gerne auch ergänzt werden kann. (Beiträge bitte an stube(a)stube.at)