Fernkurstagung: Vom Hören erzählen
Aspekte des Auditiven in der Kinder- und Jugendliteratur
Ton an: Die Tagungssymphonie kann nach einer langen Veranstaltungspause wieder erklingen. Und so begab man sich von 24. bis 26. September 2021 in das Tagungshaus nach Siegburg bei Bonn, wo es weniger um die Bilder im Kopf ging, die beim Lesen entstehen, als vielmehr um das Hören in und durch Literatur. Bevor es so weit war, wurde das Hören aber auch zu einer zentralen Komponente in der Vorbereitung der Tagung: Zahlreiche Telefongespräche zwischen der STUBE und dem Borromäusverein – dem Veranstalter der Tagung – konnte man am Stephansplatz Nr. 3 belauschen, bis nach langem Zittern qua wechselhafter Sicherheitsmaßnahmen klar war: Die Tagung wird stattfinden können! Man beginne mit dem Musikstück.
Ouvertüre ...
Die Ouvertüre dieser Tagung wurde von Peter Rinnerthaler be-/gespielt, der in seinem Vortrag zu auditiven Phänomenen in der Kinder- und Jugendliteratur die begriffliche Basis für das Sprechen über Töne, Laute und Klänge bereitete. Und so hörten die Teilnehmer*innen ganz genau hin, um für die folgenden Tage gut gerüstet zu sein. Zu belauschen waren dabei nicht nur Fachbegriffe und Theorien über das Hören, sondern auch zwei Videos über die Soundscape Wiens und Siegburgs, die Peter Rinnerthaler exklusiv für die Tagung aufgenommen hatte.
... Vivace ...
Tom Sawyer oder Huckleberry Finn. Momo oder Bastian Balthasar Bux. Harry oder Hermine. Mit diesen kniffligen Fragen leitete Nils Mohl sein Werkstattgespräch mit der Autorin Elisabeth Steinkellner ein. Gesprochen wurde dabei über Elisabeth Steinkellners Prosawerke, ihre Schreibprozesse und Arbeitsweise. Dabei gab es auch einige persönliche Einblicke: Zu welcher Tages- und Nachtzeit wird gearbeitet? Wie wurden die Songs für den literarischen Soundtrack in „Rabensommer“ ausgewählt? Und natürlich: Woran arbeitet Elisabeth Steinkellner momentan? Der Eindruck dieses besonderen Werkstattgespräches: Ein Werkstattgespräch mit besonderer Dramaturgie, das in seiner Umsetzung überaus harmonisch war.
... Crescendo ...
Am zweiten Tagungstag bekamen die Teilnehmer*innen einen spannenden Vortrag von Anna Winkler-Benders über die Darstellung akustischer Phänomene im Bilderbuch zu hören. Die zentrale Frage lautete dabei: Wie lässt sich Ton in Bildern hörbar machen? Wie aufmerksame Zuhörer*innen nun wissen, funktioniert das über die Schriftart des Textes, die Gestaltung des Textbildes, die Darstellung in den Illustrationen oder auch über paratypographische Aspekte, wie beispielsweise die Papierdicke und vieles andere mehr.
Nach diesem Ausflug in die Bilderbuchforschung folgte ein Vortrag von Felix Giesa über Musikerbiografien im Comic. Dabei konnten die Zuhörer*innen viel über Musikidole wie Johnny Cash erfahren und sich mit der Frage auseinandersetzen: Wie macht man Musik in und durch Comicpanels hörbar?
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... Allegro ...
Munter ging es auch bei dem Lyrik-Salon weiter, für den zwei alte Bekannte (erneut) auf der Bühne Platz nahmen: Nils Mohl und Elisabeth Steinkellner sprachen mit Heidi Lexe über das Schreiben und Lesen von Lyrik – und natürlich über ihre lesens- und hörenswerten Lyrikbände, die in den vergangenen Jahren veröffentlicht wurden. Auch das Publikum durfte bei dieser stimmigen Lyrik-Symphonie mitspielen: Sie konnten sich von Nils Mohl und Elisabeth Steinkellner Gedichte vorlesen lassen und ihre Gedanken dazu teilen.
Schwungvoll folgte abends das Werkstattgespräch zwischen Tobias Krejtschi und Heidi Lexe, in dem der Illustrator einen Blick hinter die Kulissen seiner Arbeit an der Ballade „Die Brück’ am Tay“ erlaubte. So konnten nicht nur die einzelnen Arbeitsschritte von der Idee über die Recherche bis zur Ausarbeitung der Illustrationen nachverfolgt werden, sondern auch die kunstvollen Skizzen der einzelnen Arbeitsphasen bestaunt werden. Ein akustisches Highlight stellte dabei Tobias Krejtschis beeindruckender mehrstimmiger Vortrag von Fontanes „Die Brück’ am Tay“ dar.
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... Grand finale
Manchmal im Leben passt nur Kitsch. Mit dieser Prämisse aus Paulus Hochgatterers „Caretta, Caretta“ spannte Heidi Lexe am letzten Tagungstag den Bogen von Tom Waits über Coldplay bis zu U2, die alle eines gemeinsam haben: Sie werden als literarischer Soundtrack in jugendliterarischen Werken aufgerufen, um Figuren und Beziehungen auszuleuchten und den Romanen eine akustische Atmosphäre zu verleihen, die viele Zuhörer*innen dieses stimmigen Vortrags ergriffen schlucken ließ.
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Der Ausklang dieser Tagung wurde von Bettina Kraemer und dem Team der STUBE und der Literarischen Kurse gestaltet, die aktuelle Bilderbücher, Kinderromane, Graphic Novels, Sachbücher, Jugendromane und Werke der Allgemeinliteratur vorstellten, in denen sich alles um das Hören dreht. Nach der Auflösung des – wie sich herausstellte durchaus kniffligen – Literaturquiz folgte schließlich nicht die Stille, sondern ein weiteres akustisches Phänomen, das die letzten Tage bereits durchgehend begleitet hatte: Tosender Applaus – und die stille Hoffnung auf ein baldiges Replay, das nicht lange auf sich warten lässt: Die Anmeldephase für die Tagung zum Thema „Vielfalt (im) Bilderbuch“, die am 2. und 3. Dezember 2021 in Graz stattfinden wird, hat bereits begonnen. Die STUBE wird also auch weiterhin von sich hören lassen!
Ein Bericht von Julia Lückl
Fotos von Johannes Reimer und Peter Rinnerthaler
Die STUBE bedankt sich sehr herzlich bei den Kooperationspartner*innen der Tagung:
Borromäusverein e.V.
und
Katholischer Kinder- und Jugendbuchpreis
der Deutschen Bischofskonferenz.