STUBE-Freitag:Auf dem Rad
Zu Gast: Michael Hammerschmid
4. April 2025
Zwei Worte sind ja schon wahnsinnig viel,
sagt jener Dichter, der aus der österreichischen Kinder- und Jugendlyrik nicht mehr wegzudenken ist und heuer zum dritten Mal in Folge mit dem Österreichischen Kinder- und Jugendliteraturpreis ausgezeichnet wird.
Zum Glück ist Michael Hammerschmid an diesem STUBE-Freitag deutlich gesprächiger und gewährt im Werkstattgespräch mit Heidi Lexe Einblick in sein dichterisches Schaffen mit und ohne Tiere, für Kinder und Jugendliche, gereimt und nicht.
„wer als erster“ und „wolkenschaum“, beide Bücher bei Jungbrunnen erschienen, vereinen Kindergedichte, die sich nahe am kindlichen Alltag bewegen und als erstes die Frage nach dem Sprachrhythmus aufwerfen. Schmale Gedichte, also solche mit kurzen Verszeilen, geben in der Pause, die der Zeilenumbruch bedeutet, Räume der Stille und des Innehaltens frei. Der Rhythmus dieser Denkräume unterliegt keinem Plan, ist nie vorgegeben, sondern bahnt sich seinen Weg wie von selbst.
Ich darf den Rhythmus nicht vorher wissen, sonst würde ich ihn ja erfüllen.
Die Frage nach Form und Inhalt ist nirgends so naheliegend wie in der Lyrik. Was war zuerst: die Sprachassoziation oder der narrative Bogen? Durch die Modulation eines Gedankens oder einer Formulierung, die mutmaßlich den Speicher aus Erfahrungen und Erinnerungen anzapft, begibt sich Michael Hammerschmid in Kindheitswelten, die von Empfindungen und kindlicher Autonomie erzählen, aber auch von der Freiheit des Dichters, sich über traditionelle Formen und Motive hinwegzusetzen. Dabei ist es ihm wichtig, zwar einerseits seine eigene lyrische Grammatik zu entwickeln, sich andererseits aber nicht darin zu fangen, um sich nicht letztlich selbst zu imitieren.
„Lyrik ohne Tiere“ schien einer seiner Leitsätze zu sein, doch dann kam Illustratorin María José de Tellería und ein Abenteuer begann: Einerseits konkretisiert sie mit ihren Bildern die Gefühls- und Gedankenwelt der Gedichte, andererseits öffnet sie neue, bisweilen abstrakte Räume.
Michael Hammerschmid und Heidi Lexe sprechen über Lyrik, während Kolleg*innen wie Melanie Laibl aufmerksam lauschen.
Mit „stopptanzstill!“, der glückhaften Fügung eines Auftragswerks durch das Wien Museum (erschienen bei Picus) hält ein Zoo der anderen Art Einzug: gleich dem Kinderspiel, bei dem man sich durch den Raum bewegt und plötzlich auf Kommando erstarrt, wird Tierfiguren im öffentlichen Raum Wiens Leben eigehaucht und damit zu einem lyrischen Stadtspaziergang eingeladen.
Mit „waskeinerkapiert“ wird schließlich die Frage nach den Genremerkmalen von Jugendlyrik aufgeworfen. Adressierung und Lebenswelten spielen dabei die Hauptrolle, aber auch ein komplexeres Formenarsenal und die im Vergleich zur Kinderlyrik größere Textmenge.
In Kleingruppen wurden Gedichte von Michael Hammerschmid inszeniert und interpretiert.
Weitere Fragen aus dem STUBE-Team und partizipative Angebote (Interpretation, Performance) an die anwesende STUBE-Community teilen strophenartig den Abend.
Alexandra Hofer fragt nach der Intonation im Kindergedicht und dem Ich und Du, das man sich ausborgen kann als Zwischenstation, um mit der Welt in Kontakt zu kommen. Carmen Schiestek beschäftigt die Dialektik von Rhythmus und Form und die Frage, wie weit das Motiv ich verliere mich und fange mich auf insgesamt auf Jugendlyrik anwendbar ist. Kathrin Wexberg hinterfragt, ob appellativer Charakter bereits ein politisches Gedicht macht.
Dass kaum eine Textform so sehr, wie das Gedicht zur Interpretation einlädt, manifestiert sich an Satzzeichen, mit denen Michael Hammerschmid sehr sparsam umgeht. Ob es nun eher das Fragezeichen oder Rufzeichen ist, lässt sich an diesem Abend auch beim kulinarischen Ausklang (Dank an Verlag Jungbrunnen) nicht letztgültig klären.
Ich bin nicht sehr punktig.
Doch, du bist sehr punktig.
Ein Bericht von Alexandra Holmes
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