STUBE-Freitag: Auf der Beiwagenmaschine
Zu Gast: Josephine Mark
14. März 2025
„Ach herrje, Rollvenen…“
…. oder waren das Rolltränen?
Was, bitte, sind Rolltränen?
Dieses nasse Dings mit der Rührung?
Gegenfrage gilt nicht, außerdem sind wir zum Spaß hier.
Na gut, also von vorne.
Das Sommersemester heißt zwar so, ist aber eigentlich im Frühling, weil im Sommer ja Ferien sind. Da trifft es sich gut, dass die Veranstaltungen der STUBE in diesem Semester unter dem Motto „Frühjahr in Bewegung“ stehen. Es geht auch gleich rasant los, denn zu Gast ist die deutsche Comic-Künstlerin Josephine Mark, die unterschiedlichste Figuren in Bewegung zu setzen weiß und darüber im Werkstattgespräch mit Heidi Lexe Auskunft gibt.
Nach dem Studium der Kultur- und Medienpädagogik als Cartoonistin und Graphikdesignerin tätig widmet sich Josephine Mark seit 2021 dem Comic. Die Unterscheidung zwischen Cartoon und Comic ist ihr wichtig, fokussiert doch ersteres auf die Pointe in einem Bild, während letzteres sequenzielles Erzählen in Panels betreibt. Parallelen zwischen der Comic-Szene und der Kinder- und Jugendliteratur im deutschsprachigen Raum liegen auf der Hand, produzieren doch beide immer wieder Aha-Momente, wenn es um das (An-)Erkennen des künstlerischen Anspruchs geht.
Josephine Mark meint jedenfalls, in diese junge und sehr aktive Szene nach und nach hineinzuwachsen und bezeichnet sich in Bezug auf Comics als Autodidaktin. So erarbeitet sie sich mit jedem ihrer Bücher ein neues Genre: Mit „Murr“ bespielt sie gekonnt den Western. „Trip mit Tropf“ ist dem klassischen Roadmovie inklusive Easy-Rider-Soundtrack verpflichtet. Gleichzeitig ist die Fünf-Akt-Struktur dem Theater entlehnt. Die gesamte Handlung kommt ohne beschreibende Textfelder aus und wird von Bild und Dialog getragen. Das Script für „Trip mit Tropf“ war in nur einer Woche fertig, aber das händische Reinzeichnen und die digitale Kolorierung inklusive Textblasen und Soundwörtern waren ein Jahr Arbeit. Arbeit, die sich gelohnt hat, denn mittlerweile gibt es rund zwanzig Übersetzungen und einen vollen Tourkalender.
Womit wir bei der performativen Kunstform Comiclesung angekommen sind, die als Mischung aus Lesung und Kino beschrieben werden kann: Die Buchseiten werden vom Beamer auf die Leinwand projiziert, der Soundtrack mit allen Stimmen und Geräuschen kommt von der Künstlerin.
Der „Trip mit Tropf“ beginnt in einem Waldlazarett. Ein kleines Häschen mit Rollvenen – das wird leider etwas wehtun – bekommt seine Infusion. Im Lauf der Geschichte verliert es sein Fell, nicht aber den Mut. Ein einsamer Wolf kommt mit einer Schussverletzung. Auch er hat Rollvenen, aber nicht die geringste Geduld, weshalb er seine Wunde lieber selbst näht, gerade in dem Moment, als das Lazarett vom Jäger unter Beschuss genommen wird. So beginnt der Roadtrip einer ungleichen Schicksalsgemeinschaft mit dem Truck durch den Wald, mit der Beiwagenmaschine durch die Schneelandschaft und zu Fuß hinauf auf den Berg immer auf der Flucht vor dem Jäger und aneinander gebunden durch den mysteriösen „Wolfskodex“ …oder doch etwas anderes, das vielleicht noch stärker ist.
Selten sind Humor und Dramatik eine so abenteuerliche, lustige und warmherzige Symbiose eingegangen, um von Krebserkrankung, Mut und Freundschaft zu erzählen. Selten war es rührender, wenn der Appetit auf Chips und der Ruf nach Pommes zur Selbstermächtigung und Liebeserklärung werden.
Ein Bericht von Alexandra Holmes