STUBE-Freitag am 11. Oktober 2024: Immergrün
Zu Gast: Linda Wolfsgruber
Was würden wir tun, wäre es nicht endlich Herbst? Wie würde es uns gehen, gäbe es nicht endlich wieder einen STUBE-Freitag? Nicht auszudenken!
Der dieses Wintersemester eröffnende STUBE-Freitag findet in Kooperation mit dem Katholischen Kinderbuchpreis der Deutschen Bischofskonferenz und zugleich als Auftakt des neuen Fernkurses >>> klassikLESEN der Literarischen Kursen statt. Alle einschüchternden Assoziationen zum Klassikbegriff seien mitsamt dem Herbstlaub in den gleichnamigen Wind gestellt, denn hier und heute bezeichnet klassisch keine ergraute Epoche, sondern vorbildliches Schaffen in zeitloser Gültigkeit, mit einem Wort: Würde. Welch ein Glück!
Linda Wolfsgruber wurde dieses Jahr sowohl mit dem Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis der Deutschen Bischofkonferenz als auch mit dem Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis für „sieben“ ausgezeichnet. Was das alles mit Würde zu tun hat, ist Thema im Werkstattgespräch mit Heidi Lexe und Grund genug, einmal mehr einen genauen Blick auf Linda Wolfsgrubers umfangreiches Tun zu werfen. Dabei stehen vor allem Märchen und biblische Stoffe, denen sie ein illustratorisches Kleid verliehen hat, im Zentrum.
Am Beginn ihrer professionellen Auseinandersetzung mit Märchen steht „Es war einmal von A bis Zett“, ein Künstlerinnen-Bilderbuch, das in Zusammenarbeit mit Renate Habinger entstanden ist. Das Alphabet als striktes Ordnungsprinzip steht dabei freien Assoziationen und Wortspielen gegenüber. Das „Dolomiten Sagenbuch“ (Text: Auguste Lechner) und „Von den wilden Frauen“ (Text: Martin Auer) sind weitere Beispiele für die Auseinandersetzung mit Märchen und Sagenstoffen, die von Anfang an zwei Aspekte in Linda Wolfsgrubers Schaffen sichtbar machen: der Wechsel zwischen freien Arbeiten und Illustrationen erweist sich oft als befruchtend und inspirierend. So sind aus freien Arbeiten schon Ausstellungen und Bücher entstanden. Darüber hinaus besteht ein Zusammenhang zwischen der Größe des Ateliers und den Formaten der Bilder.
Während Heidi Lexe die Aufmerksamkeit auf unterschiedliche Techniken lenkt, kommen die „Textwüste in der Allgemeinliteratur“ und die Materialität von Büchern in der Kinder- und Jugendliteratur zur Sprache. Linda Wolfsgruber erklärt die Besonderheit von geschöpftem Papier, das nicht geschnitten wird, bestickt, bemalt und bedruckt werden kann und das sie bei „Immergrün“ (Zusammenarbeit mit Bodo Hell) ebenso verwendet hat, wie bei „Daisy ist ein Gänseblümchen“, das mit Buch und Ausstellung ein Ergebnis ihres Aufenthalts in Teheran war. Für Staunen sorgt sie mit der in „Arche“ angewandten Drucktechnik mit Wachsmalstiften für Kleinkinder und mit einer live Vorführung der Kratztechnik, die bei ihr so wunderbar leicht von der Hand geht, dass man sie tatsächlich selbst versuchen möchte. „Prinzessin Rotznase“ (Text: Martin Auer) ist schließlich ein theatrales Schauspiel unterschiedlicher Techniken, das sich auf einem Küchentisch als Bühne (Druck) mit Stabpuppen (kopiert) in Collagen und Radierungen entfalten.
Der Kreis schließt sich bei der Würdigung ihres jüngsten Werks „sieben“, das ihren Werdegang bis zu einem gewissen Grad zusammenfasst und auch für Linda Wolfsgruber etwas Besonderes darstellt, weil es viele Arbeiten, Weltsichten, Zeitspannen und Lebensläufe vereint. So finden sich die Tiere aus dem Skizzenbuch vom Naturhistorischen Museum in Wien ebenso im Buch wieder wie eine verblüffende vage Kindheitserinnerung an die Schöpfungsdarstellung in der Stiftskirche Innichen: Auch dort sind eine Nixe und ein Einhorn abgebildet.
Der Mensch ist bei Linda Wolfsgruber nicht die Krone der Schöpfung, sondern zunächst als Betrachter*in perspektivisch außerhalb des Bildes positioniert, um schließlich konturenhaft in die Natur eingeschrieben sichtbar zu werden.
„Weil sie uns anvertraut ist…“ ist als Motto vorangestellt und integriert damit nicht nur die Frage nach der Aktualität einer neuen Darstellung der Schöpfungsgeschichte, sondern auch die Frage nach der Schöpfungsverantwortung. Dass Klassiker zeitlos aktuell und deshalb immer neuer Reflexion würdig sind, wird damit offensichtlich. Ob die Menschheit es schafft, in der Schöpfungsverantwortung ihre Würde zu wahren, bleibt dagegen fraglich.
Zum Abschluss des Werkstattgesprächs trifft Klassiker auf Klassiker: Ein Streifzug durch das Buch unterlegt mit Josef Haydns Oratorium Die Schöpfung zieht multimedial alle Register und die Anwesenden in seinen Bann.
Ein Glück und zugleich auch ein Klassiker ist der gesellige Ausklang des Abends in feinster STUBE-Qualität. Danke!
Ein Bericht von Alexandra Holmes
Zum Video on demand im STUBE-Card-Bereich geht es >>> hier.