STUBE-Freitag am 13. Dezember 2024: Papierblüten
Zu Gast: Melanie Laibl, Nora Leitl, Susanne Straßer und Ursula Tichy
Es ist wieder diese Zeit im Jahr, wo die Landschaft rund um den Stephansdom olfaktorische Kapriolen schlägt (Brat- oder Rossapfel?) und das massenhafte Auftreten geballter Lebkuchen-, Punsch- und Weihnachtsgedudelträgheit den Weg in die STUBE erschwert. Dessen ungeachtet und über jeden Verdacht der Verwechslung mit Wienerischen Homonymen erhaben, wurde an diesem Abend von der eingeschworenen STUBE-Community die Pappe HOCHgehalten.
Heidi Lexe, leider krankheitsbedingt verhindert, hatte einen genialen Bauplan für den Abend entwickelt, der ebenso genial von Alexandra Hofer und dem STUBE-Team umgesetzt wurde. Es ging um jenes Genre in der Kinder- und Jugendliteratur, mit dem Kinder wohl zuerst in ihrem literarischen Leben in Berührung kommen: Das Pappbilderbuch. Dass literarisch und künstlerisch oft deutlich mehr dahintersteckt, als man auf den ersten Blick zu meinen scheint, wurde in den Gesprächen mit der illustren Gästeschar deutlich.
Reinhard Ehgartner (>>> Österreichisches Bibliothekswerk) sprach über das Vorlesen als Moment der Nähe und Geborgenheit, der in seiner zwischenmenschlichen Qualität über den Aspekt des bloßen Spracherwerbs und bisweilen didaktisch getriebenen Bewahrens vor schlechten PISA-Ergebnissen weit hinaus reicht. Early Literacy stellt einen Akt der Weltaneignung dar! Mit dem Projekt Buchstart wird dem seit 2011 Rechnungen getragen, indem Bibliotheken Material zur Verfügung gestellt bekommen, das von Geburt des Kindes an das Lesen in Familien fördert. Neben einer „Messlatte“, die zeigt, wie sehr man mit Gedichten wachsen kann, gibt es Kamishibai-Bühnen, den Bibliotheks-Führerschein und Bücher in Buchstart-Taschen, die als Willkommensgeschenk zu haben sind.
Einen weiteren Einblick in die Bibliothekslandschaft im Burgensland gewährte Ursula Tichy, die hauptberuflich an der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB) beschäftigt ist und dort für Systematisierung und Beschlagwortung zuständig ist. Während das Pappbilderbuch zunächst im Spielwarenbereich angesiedelt war und im bibliothekarischen Kontext wenig eindeutig als Bilderbuch bezeichnet wurde, gibt es die Beschlagwortung als Pappbilderbuch an der ÖNB und allen wissenschaftlichen Bibliotheken erst seit Oktober 2024! In ihrer ehrenamtlichen Funktion als Bibliothekarin in Wimpassing etablierte sie zahlreiche Buchstart Vermittlungsprogramme und bereitete damit den Weg für >>> Buchstart Burgenland.
Melanie Laibl präsentierte das jüngste Buchstart-Buch: „In mir spielt Musik“ (Vermes) ist ein Aufwachbuch, das den Übergang aus Traumbildern in die Realität begleitet. Das Buch ist im Rahmen von Buchstart Niederösterreich erschienen. Ein Projekt, bei dem auch Uschi Liebmann (>>> Treffpunkt Bibliothek Niederösterreich) wesentlich mitarbeitet.
Formal wie ein Kinderlied angelegt mit einem Refrain, der in der Wiederholung zum Mitsingen einlädt, gibt es zu dem Buch auch folgerichtig ein Lied. Melanie Laibl, die für ihre akribischen Recherchen bekannt ist, sammelte für dieses Buch starke, vokalreiche Klangwörter, Soundwörtern in Comics ähnlich, und ging der Frage nach, wann die kindliche Wahrnehmung für Töne, Klänge und Sprachschönheit einsetzt. So intuitiv vieles bei „In mir spielt Musik“ ablief, so rechercheintensiv gestaltete sich eine weitere Arbeit, in der hundert Rechercheseiten in ein achtseitiges silent book in Leporello Format komprimiert wurden: „Mozart in Wien“.
Leonora Leitl demonstrierte anhand von „Baden“ aus den 1970er-Jahren anschaulich, wie prägend frühkindliche Lektüre sein kann, wie stark aber auch schon im Pappbilderbuch Rollenbilder festgeschrieben sind. Dass das nicht so sein muss, stellte sie mit „Einkaufen macht Spaß“ unter Beweis. Leonora Leitl ist bekannt für ihre immer ausgefeilteren Koffertheater, die sie auf Lesereisen begleiten. Das Pappbilderbuch mitsamt Beleuchtung und Soundtrack ist ein Gesamtkunstwerk, das auch das abgeklärte Fachpublikum in der STUBE in kindliches Staunen versetzte.
Ihre STUBE-Première feierte Susanne Straßer, die erstmals und exklusiv in Papp-Angelegenheiten nach Wien gekommen war. Andrea Kromoser (>>> buch.details), die sich bereits für 1001Buch eingehend mit Susanne Straßers Werk befasst hatte, sprach mit ihr über die Arbeit an ihren Pappbilderbüchern und eine Dramaturgie, die zweijährigen Leser*innen gerecht wird. Am Beispiel von „So weit oben“ und „Waschbär wäscht Wäsche“ demonstrierte sie beeindruckend, wie man auf zwölf Doppelseiten eine Geschichte erzählt, die Figuren greifbar macht, Spannung auf die Spitze treibt und einen fast schon kathartischen Ausgang präsentiert. Susanne Straßer ist dabei auch eine Meisterin der Doppeladressierung.
Nach so viel hochwertiger Pappe konnte niemand umhin, das anschließende Buffet für ein ausgezeichnetes „Papperl“ zu halten, was sich auch darin manifestierte, dass für ein Pschorr-Packerl nichts mehr übrig war.
Die STUBE dankt den Verlagen >>> Vermes, >>> Peter Hammer und >>> Tyrolia sowie dem >>> Projekt Buchstart des Österreichischen Bibliothekswerks und >>> Treffpunkt Bibliothek Niederösterreich für die wunderbare Kooperation. und wünscht eine feine Vorweihnachtszeit – am besten mit dem >>> STUBE-Adventkalender!
Ein Bericht von Alexandra Holmes
Fotos © STUBE
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