Blick in die Glaskugel: STUBE-Freitag am 27. Jänner 2023
Sonderführung durch die Ausstellung "Bilderbuchkunst" mit Friedrich C. Heller
Können Sie sich an einen STUBE-Freitag erinnern, bei dem es zwar um Bücher ging, nicht aber vornehmlich darum, was in diesen Büchern steht? Bei dem kein einziges Mal umgeblättert wurde, weil die Bücher vor jedem Zugriff geschützt in Vitrinen standen? Das können Sie natürlich nicht, denn so einen STUBE-Freitag gab es noch nie!
Bisher. Aber diesmal versammelte sich die eingeschworene STUBE-Community trotz nass-kalten Hab'-keine-Zeit-muss-Tee-trinken-Wetters in der imposanten Halle des Museums für Angewandte Kunst (MAK) zu einer Sonderführung durch die Ausstellung »Bilderbuchkunst. Das Buch als künstlerisches Medium« von Friedrich C. Heller.
Das besondere an der Sonderführung war, dass Professor Heller höchstpersönlich Erklärungen zu seiner Ausstellung gab. „Seine Ausstellung“ darf man dabei mit Fug und Recht behaupten, denn von den zweiundneunzig Exponaten der Ausstellung stammen nur vierzehn aus den Beständen des MAK und die übrigen achtundsiebzig aus der Heller‘schen Privatsammlung, die sich auf zeitgenössische Bilderbuch-Kunst seit den 1950er-Jahren spezialisiert. Gemeinsam mit seiner Frau Ursula Brandstätter kuratierte er eine Schau, die jede Vitrine einem besonderen Thema widmete und das Buch in seiner Besonderheit als kinetisches und langsames Kunstwerk präsentierte. Dass es sich dabei um Kunst für jede Altersgruppe handelt und dass jedes der präsentierten Werke das Buch als das Original und die Illustration keineswegs in dienender Rolle sieht, versteht sich von selbst.
„Bücher als Räume“ und nicht als Trägerobjekte für den Text überraschen durch ungewöhnliche Formate, vielfältige Materialien und ein Pop-up Innenleben, das über sich hinauswächst. „Fast nichts“ ist in manchen Büchern zu sehen, die durch radikale Reduktion der malerischen Mittel irritieren, aber auch belustigen. „Märchen und andere Welten“ werden von klassisch bis abstrakt illustriert, was anhand von Rotkäppchen, dem am häufigsten illustrierten Märchen, veranschaulicht wird. „Poesie der Zeichen“ und „Schrift und Klang als Bild“ setzen sich mit der Wahrnehmung auseinander, mit welchen Zeichen wir die Welt darstellen und wie die Grenzen von Schrift und Bild verschwimmen. Die „Spuren der Kunstgeschichte“ lassen sich aus gewohnter Bildsprache ebenso wie aus inhaltlichen Zitaten und Anspielungen ablesen. Und die „Welt der Krisen“, im politischen, historischen oder ökologischen Sinne, macht auch vor dem Bilderbuch nicht halt, fragt nach der Perspektive, die die Betrachter*innen einnehmen, und bietet eine erstaunliche Vielfalt an stilistischen Annäherungen.
Professor Heller hatte ursprünglich Theaterwissenschaft, Musikwissenschaft und Kunstgeschichte studiert. Was lag da näher, als an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien das Institut für Musikgeschichte zu gründen und als Privatsammler einen international ausgezeichneten Ruf als „Bilder- und Kinderbuchwissenschafter“ zu erlangen? Inspirierende Blicke über unzählige Tellerränder! Und die Erkenntnis, dass es möglich ist, über Bilderbücher zu sprechen, ohne jemals die Begriffe Doppeladressiertheit oder Text-Bild-Interdependenz zu verwenden.
Die Ausstellung im MAK lässt sich noch bis 5. März bestaunen.
Ein Bericht von Alexandra Holmes