Fernkurstagungen 2005 - 2007
Von 19. bis 21. Mai 2006 waren die Teilnehmer*innen am 3. Jahrgang des Fernkurs Kinder- und Jugendliteratur der STUBE sowie die TeilnehmerInnen am Aufbaukurs eingeladen, an einer Tagung zum Thema Raum und Raumgestaltung in der KJL teilzunehmen. Tagungsort war in bewährter Weise das Bundesinstitut für Erwachsenenbildung in Strobl am Wolfgangsee.
v.l.n.r: Renate Habinger, Kirsten Boie und Gundel Mattenklott
In einer multimedialen Collage wurden am Beginn vom STUBE-Team unterschiedliche Assoziationen rund um das Tagungsthema dargestellt. Vom Sprachraum bis zum Leseort, vom Wohnraum bis zum verbotenen Zimmer reichte dabei die Bandbreite, die anhand zahlreicher Beispiele präsentiert wurden.
In den einzelnen Referaten widmeten sich die eingeladenen Beiträger*innen den unterschiedlichsten Aspekten literarischer Räume:
Renate Habinger gab einen grundsätzlichen Eindruck vom Buch als Gestaltungsraum: Wann überhaupt spricht man von einem Buch? Kriterien einer Gestaltung des „Außen“ und des „Innen“ wurden nicht nur durch zahlreiche Bildbeispiele vorgestellt, sondern auch am Beispiel kleiner Skizzen erläutert, die Renate Habinger „live“ auf Overheadfolie gezeichnet hat. Wie umfassend die Entscheidungen sind, die man treffen muss wenn Bild und Text zueinander gebracht werden müssen, konnte das Publikum anhand kleiner Übungen sozusagen am eigenen Leib erfahren ...
Kirsten Boie schilderte aus Sicht einer Schreibenden, welche Funktion die Gestaltung von Handlungsräumen hat: Der Raum lässt rückschließen auf die Person, die in ihm lebt, er hat sowohl emotionale als auch symbolische Bedeutung. Theoretische Überlegungen belegte sie anhand zahlreicher Beispiele aus ihren eigenen Büchern – jeweils erweitert durch Reflexionen über die mögliche Rückwirkung der Texte auf die Leser*innen, sowie den Versuch, solche Rückwirkungen auch bewusst herzustellen.
Gundel Mattenklott widmete sich den geheimen Räumen in der KJL, sowie den Bewohner*innen dieser versteckten, zumeist unter der Erde liegenden Orte – insbesondere der „little people“. Sie gab dazu einen Überblick über die Traditionen von Feen- und Elfengeschichten und nahm dabei das Verhältnis der kindlichen Protagonist*innen zu diesen literarischen Figuren in den Blick. Abschließend unternahm sie einen Streifzug durch kinderliterarische Orte, die zwischen einer „realen“ und einer imaginierten Kinderwelt liegen – wie zum Beispiel das Fensterbrett oder der Spiegel.
Stefan Slupetzky lud ein zu einem in Wort und Bild pointiert angelegten Streifzug durch die Hinterhöfe der Literatur-, aber auch der Film- und Mediengeschichte. Entlang der Handlungsräume seines Bilderbuchs „O Berta!“ präsentierte er die räumlichen Vorbedingungen und deren Varianten in diversen Genres des Trivialen – vom Western bis zur Science Fiction, vom Horrorroman bis zum Krimi.
Nicole Kalteisdurchstreifte die Räume des Adoleszenzromans: Ausgehend vom Symbol des Strichpunkts zeigte sie das Zusammenspiel von einer Bewegung der Figuren im Raum und deren Befindlichkeiten. Unter dem Aspekt unterschiedlicher Bewegungsformen (pendeln, kreisen, Haken schlagen, sich linear bewegen) schlug sie den Bogen vom genreprägenden „Der Fänger im Roggen“ bis hin zu jüngst erschienenen Texten und setzte dabei das transitorische Moment der Adoleszenz in Bezug zur dargestellten Bewegung im Raum.
Bernhard Rank schloss den Bogen mit Ausführungen zu Nachdenkräumen in der KJL. Einerseits erläuterte er die Bedeutung, die Literatur selbst als „Übergangsraum“ einnimmt, andererseits widmete er sich philosophischen Aspekten in einzelnen Erzählungen: Im Spannungsfeld zwischen Texten von Jostein Gaarder und Jürg Schubiger wurde deutlich, wie unterschiedlich literarische Gestaltungsformen genutzt werden, um Raum für Fragen nach dem Sein in der Kinderliteratur zu eröffnen.
v.l.n.r: Nicole Kalteis, Bernhard Rank und Kirsten Boie und Franz Lettner beim Buchgespräch
Ein Nachmittag war unterschiedlichen Buchgesprächen gewidmet, in denen spezifische Räume und Raumaspekte wie der Garten, die Bibliothek, die Großstadt, der geschlossene Raum, die Wand und die Welt unter der Welt zur Sprache kamen.
Ein Tagungsband ist in der Schriftenreihe Fokus erschienen.
Bühne frei! hieß es von 23. – 25. März 2007, als im Rahmen einer in Kooperation mit dem DSCHUNGEL WIEN entstandenen STUBE-Tagung die Frage nach Literatur und Theater für Kinder und Jugendliche im kreativen Dialog gestellt wurde.
60 Teilnehmer*innen fanden – zum Teil trotz widriger Umstände (Sommerzeitumstellung! Bildungshausessen!!) – den Weg ins Don Bosco Haus in Wien, um der Frage nach den Spielformen des Theaters für Kinder und Jugendliche nachzugehen.
Gespannte Teilnehmer*innen und STUBE-Mitarbeiterin Nicole Kalteis im Gespräch mit Marianne Artmann.
In ihrem Eröffnungsreferat hat Marianne Artmann, Dramaturgin des DSCHUNGEL WIEN, diese Spielformen in deren historischen Kontext gestellt und einige Varianten zeitgenössischer Inszenierungen vorgestellt, die ihren Ursprung in kinderliterarischen Texten haben (wie zum Beispiel eine Inszenierung von Paul Shiptons „Die Wanze“) oder in Zusammenarbeit mit Künstler*innen entstanden sind, die auch im Bereich der Kinderliteratur arbeiten (wie zum Beispiel das Stück >>> „Giftige Flügel“, das der Kinderbuchautor Heinz Janisch gemeinsam mit der Choreografin Karin Steinbrugger und dem Tanztheater Homunculus erarbeitet hat).
Die Wanze – der neueste Fall und Giftige Flügel werden Im Mai (wieder) im DSCHUNGEL WIEN zu sehen sein.
Am Freitag Abend hatten die Teilnehmer*innen die Möglichkeit, sich im DSCHUNGEL WIEN das Stück FSK 16 von Kristo Šagor in einer Inszenierung von Volker Schmidt anzusehen und danach mit dem Regisseur und den Schauspieler*innen Özlem Demirci, Julia Schranz und Sebastian Brummer ins Gespräch zu kommen. Sebastian Brummer verabschiedete die Teilnehmer*innengruppe mit den Worten: „Es war eine interessante Erfahrung, das Stück einmal vor so vielen volljährigen Zuseher*innen zu spielen.“
Szenenbild aus "FSK 16" und Wegweiser durch das Workshop-Angebot.
Der Samstag blieb den so genannten Workshops vorbehalten – für die es der STUBE gelungen ist, namhafte Vertreter*innen der Theaterszene (für Kinder und Jugendliche) zu gewinnen:
Zeno Stanek, Leiter des Bühnenverlages Kaiser, und Vivien Bronner, Leiterin der dreh.buch.scheibe und Autorin des Bandes „Schreiben fürs Fernsehen“ gaben in ihrem Schreibworkshop eine Einführung in den Unterschied des dramatischen Schreibens im Vergleich zum epischen Schreiben;
Karin Steinbrugger, Choreografin und Tänzerin bei der Company homunculus, ging der Frage nach, wie sich Sprache in Bewegung umsetzen lässt;
die renommierte Regisseurin Lilly Axster, Mitbegründerin des TheaterFoxfire, die für ihr Bilderbuch „Wenn ich groß bin, will ich fraulenzen“ den Österreichischen Kinder- und Jugendliteraturpreis bekommen hat, stellte in ihrem Regie-Workshop die Frage, wie Bilderbuchräume und Bühnenräume in Beziehung zueinander gestellt werden können, ohne in die „Kitschfalle“ zu geraten;
Gudrun Rathke, Literaturvermittlerin und Geschichtenerzählerin, ging in ihrem Kreativ-Workshop der Frage nach, in welcher Form Bilderbüchern in der Kindergruppe Spielraum eingeräumt werden kann;
Tina Reiter, im Bereich Film und Fernsehen für Ausstattung tätig, stellte in ihrem Workshop rund um das Szenenbild die Frage, welche Bühnenräume Figuren als angemessenes Umfeld geboten werden müssen;
die unter anderem für Burgtheaterinszenierungen von Andrea Breth tätige Kostümbildnerin Anna Pollak ging der Frage nach, wie sich Kostümideen im Theater für Kinder und Jugendliche entwickeln und auch umsetzen lassen.
Das dieserart entfachte Feuerwerk an Kreativität fand dann am Abend seinen Höhepunkt in der performativen Lesung der auf so vielfältige Weise faszinierenden Künstlerin Brigitte Schär. Zwischen Lesung und Gesang angesiedelt präsentierte die viel-talentierte Schweizerin Texte für Kinder wie auch für Erwachsene – im Mittelpunkt die in 15 Szenen erzählten „Geschichten vom Roll und vom Ruh“, die 2006 auch in Bilderbuchform bei Bajazzo (Illustration Verena Ballhaus) erschienen sind.
Brigitte Schär auf der Bühne und freien Mitarbeiterinnen der STUBE (Martina Rényi, Tina Reiter und Lisa Kollmer (v.li.) beim Pausengespräch.
Der Sonntag-Vormittag schließlich blieb drei Wissenschafterinnen vorbehalten, die in Einzelreferaten ihre Untersuchungen zu theatralen Inhalten und Darstellungsformen in der Kinderliteratur präsentierten.
Marlene Zöhrer, Stipendiatin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und Rezensentin der Fachzeitschrift Eselsohr, stellte ausgehend von ihrer Beschäftigung mit kinderliterarischen Bearbeitungen von Klassikern der Weltliteratur drei Bilderbuchbeispiele von Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ vor und lenkte den Blick dabei auf die zielgruppenspezifischen Textversionen ebenso wie auf die Frage, in welcher Form Inszenierungspraktiken Eingang in die Illustration gefunden haben.
Beate Hochholdinger-Reiterer, Assistenz-Professorin am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Universität Wien, setzte eine solche Auseinandersetzung mit illustratorischen „Bühnenpraktiken“ fort und stellte unter dem Aspekt der Bühne als Gestaltungselement Bilderbücher vor, die eine Bühne in wörtlichen wie auch übertragenen Sinn als Aktionsort nutzen.
Birgit Peter, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Lehrbeauftragte am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Universität Wien, rundete diese Zusammenschau wortwörtlich ab, indem sie in die Manege lud: Aspekte der historischen Entwicklungen und Variationsbreite des Zirkus wurden am Beispiel ausgewählter Bilderbücher vorgestellt.
v.l.n.r. Marlene Zöhrer, Beate Hochholdinger-Reiterer und Birgit Peter
Eine Literaturliste zu den drei Referaten finden Sie >>> hier
Nun gute Nacht! Das Spiel zu enden,
Begrüßt uns mit gewogen Händen!
(William Shakespeare: Ein Sommernachtstraum)