Thema: Kinder- und Jugendliteratur von Jutta Treiber
Jutta Treiber / Maria Blazejovsky: Die Blumen der Engel
Wenn ein geliebter Mensch stirbt, bleibt die Zeit nicht stehen, sondern sie verschwindet voll und ganz, scheint keinerlei Bewegung mehr in sich zu haben. Mit diesem Bild umrahmt die Illustratorin den Text über den plötzlichen Tod der kleinen Mara, deren ältere Schwester Sonja mit diesem Ereignis umzugehen versucht. Folgerichtig begleitet eine Standuhr ohne Zeiger den Bericht vom Unfalltod des kleinen Mädchens. Ablesbar an ständig wechselnden Bild-Perspektiven gerät Sonjas Leben vollkommen aus dem Gleichgewicht und bald findet sie sich allein und sprachlos - fast so wie Mara im Sarg - wieder. Vom Besuch in der Leichenhalle bis hin zum Begräbnis wird auf unterschiedlichen Sprachebenen Sonjas seelisches Zerrissensein zwischen Trauer, Selbstbeschuldigung, Angst und Einsamkeit geschildert. Einander gegenüber stehen dabei eine analytisch-hinterfragende Form, in der ihre Gefühle und Gedanken beschrieben und kommentiert werden sowie mit bemerkenswertem Einfühlungsvermögen vorgetragene kindliche Fragen und Ideen, die Sonja dabei durch den Kopf gehen. Am Ende geht die zurückgebliebene Schwester dem warmen Orangerot einer Tür entgegen und die Uhr hat zumindest ihre Zeiger wiedergewonnen.
Annette Betz 2008.
32 S.
Jutta Treiber: Der blaue See ist heute grün
Zu ihrem Lieblingsplatz, dem See, zu gehen, ist für Gisela Gelegenheit, sich über ihre Gefühle und Gedanken klar zu werden, mit sich selbst ins Reine zu kommen, die eigenen Stimmungen zu reflektieren. In dieser Art eines inneren Mononlogs, der immer wieder von dialogreichen Passagen unterbrochen wird, führt die Autorin ihre Protagonistin durch eine schwere Zeit: Die kluge und gescheite, aber wenig lebens- oder gar liebeserfahrene Gisela wird schwanger. So wie der See je nach Wetterlage seine Farbe ändert, setzt damit auch in Giselas Leben eine Vielfalt an Stimmungsschwankungen ein: Soll sie das Kind behalten? Ängste und Zweifel bestimmen Giselas Tage, aber auch eine stille Freude: "Mein Kind, dachte sie. Mein Kind!" Gisela entscheidet sich für das Kind, schließt die Schule mit der Matura ab und beginnt, sich Schritt für Schritt aus dem Zugriff ihrer dominanten Mutter zu lösen, die Giselas Baby immer mehr als ihr Eigentum betrachtet. Gisela findet für sich und ihr Kind einen Platz im Leben und weist auch Georgs Wunsch, Verantwortung für das gemeinsame Kind zu nehmen, nicht länger zurück. "Der blaue See war heute blau" heißt es in der Schlussszene, in der Gisela und Georg zu beinahe wortlosem Einverständnis gelangen. Ohne Pathos und in ruhigem Sprachduktus wird der Reifungsprozess des jungen Mädchens geschildert und im Erzählen stark an die Metaphorik des Sees mit seinen sich wandelnden Farben gebunden. Der Roman erschien erstmals 1995 und erhielt im Jahr darauf den Österreichischen Kinder- und Jugendliteraturpreis.
Ueberreuter 2005.
144 S.
Jutta Treiber / Anna Kosanova: Max und Marzipan
Marci darf zum ersten Mal alleine in die Ferien fahren – ohne ihre Eltern und den kleinen Bruder Gerd. Doch der Traum vom schönsten Urlaub ihres Lebens auf dem Reitlager scheint zu Beginn ihres Aufenthalts zu einem Albtraum werden: Das Abschied nehmen von der ansonsten Schutz gebenden Familie stellt sich als schwieriger heraus als von Marci erwartet und schon nach der ersten Euphorie über die Begegnung mit den Pferden keimt das Heimweh in ihr auf. Zum ersten Mal ganz auf sich selbst gestellt, gerät sie als jüngste und kleinste der Kindergruppe ins Abseits und muss erst lernen, mit der anfänglichen Ausgrenzung durch die Älteren umzugehen. Doch am Schluss der Geschichte steht ein versöhnliches Ende, in dem die Protagonistin gelernt hat, sich selber in einer neuen Umgebung und unter zuerst fremden Menschen ihren Platz zu finden und sich auch fern vom Schutz der Eltern wohl zu fühlen. Jutta Treibers Geschichte aus der Erstlesereihe "Lesezug" ist in einer klaren und einfachen Sprache verfasst, die durch gezielt eingesetzte sprachliche Bilder die Emotionen und Eindrücke der Hauptfigur weiter verdeutlicht und die LeserInnen nicht unterfordert. Die große, leicht lesbare Schrift, kurze Satzeinheiten sowie die starke Illustration vereinfachen die Lektüre des Textes, wiederholte eingesetzte Reimverse betonen die klangliche Qualität der Sprache und regen zum kreativen Weiterdenken an.
G&G 2007.
64 S.
Jutta Treiber / Iris Wolfermann: Der König tanzt
"Wenn der König tanzte, kamen alle Leute auf den Marktplatz und tanzten auch. Die Menschen liebten ihren König, weil er so fröhlich war und so gut tanzen konnte." Und als dieser König eines Tages Staatsbesuch vom Präsidenten von Andersland bekommt, zeigt er ihm voller Stolz Slowfox tanzende Kühe, Enten, die sich der Watschelpolka hingeben, die Werkstätten der Tanzkleidschneider und beendet diesen Tag mit einer rauschenden Ballnacht. Jutta Treiber stellt dieser Utopie eines durch die reine Freude am Tanz bestimmten Königreichs das Andersland entgegen, welches der König bei seinem Gegenbesuch kennenlernt: In Reih’ und Glied marschieren bewaffnete Soldaten zum Empfang, stolz zeigt der Präsident seinem Kollegen die Exerzierplätze, auf denen die Soldaten "lernen zu gehorchen", "Befehle auszuführen und zu schießen." Der König kann für diese fremde Welt kein Verständnis aufbringen und fliegt am Ende mit lauter unbeantworteten Fragen wieder in sein krisenfreies Königreich des Tanzes. Die Illustrationen von Iris Wolfermann spiegeln die Gegensätzlichkeit dieser beiden Staatssysteme, ihrer Anführer und BewohnerInnen wieder: Dominieren zu Beginn florale Muster sowie helle und warme Farben, wird Andersland von den klassischen Militärfarben Grün, Khaki und Grau bestimmt. Die offen bleibenden Fragen des Königs werden gleichermaßen zu den Fragen der LeserInnen. Neben dem Unverständnis für ein Land, das sich nur durch Ordnung, Befehl und Gewalt definiert, keimen ebenso die Fragen auf, ob ein rein auf Genuss und endlose Feste angelegtes Leben das rechte Maß ist. Fragen und Irritationen, die zu einem Wiederlesen und Weiterdenken auffordern.
Annette Betz 2007.
32 S.
Lene Mayer-Skumanz (Hrsg.): Ein Haydn-Spaß. Joseph Haydn in Bildern und Geschichten
Dort, wo heute am Stephansplatz das so genannte Curhaus steht (in dem die STUBE ihre Räumlichkeiten hat), war Mitte des 18. Jahrhunderts die Domkantorei untergebracht. 1740 wurde der damals achtjährige Josef Haydn auf Grund seiner schönen Stimme als einer von sechs Chorknaben in diese Domkantorei aufgenommen. Der Duft von Kirschen umweht jene Erzählung, in der Hofcompositeur und Domkapellmeister Georg Reutter nach Hainburg kommt, wo Sepperl bei Verwandten lebt, und ihn als erster von zahlreich folgenden Förderern nach Wien holt. So wie der kindlich erlebnishafte und auch sehr kulinarische Zugang den Weg weist für eine biographische Annäherung in Bildern und Geschichten. Erzählerisch reflektiert werden der Werdegang Josef Haydns, seine Erfolge, aber auch seine Selbstzweifel: "O Gott, war ich gerecht? Werde ich durch deine Himmelspforte gehen?" fragt sich der Komponist, als seine trüben Nachtgedanken um sein Oratorium "Die Jahreszeiten" kreisen. Jutta Treiber komponiert einen zermürbenden inneren Monolog, in dem sich Textpassagen des Oratoriums mit Sprachassoziationen rund um dessen Entstehungsprozess vermengen.
Ergänzt werden die Kurzgeschichten zahlreicher österreichischer AutorInnen mit Sacherzählungen zu musikhistorischen Aspekten; ein Gespräch mit dem Ersatzkopf und spielerisch verstreuter Haydn-Nonsens aus der Feder von Gerda Anger-Schmidt sorgen ebenso für Auflockerung wie die doppelseitigen Comics von Annett Stolarski, in denen der so lange Zeit unsortiert erscheinende Zugang des Autodidakten Joseph Haydn zur Musik variantenreich zum Ausdruck kommt.
Wiener Dom-Verlag 2009.
120 S.
Maria Theresia Rössler (Hrsg.): Gestern kam das Glück zu mir. Ideen für außergewöhnliche Feste
Das JUKIBUZ (JUgend- und KInderBUchZentrum) in Bozen beziehungsweise dessen Leiterin Maria Theresia Rössler hat sich zu seinem 10. Geburtstag von all den Künstlern und Künstlerinnen, die bereits zu Gast waren, einen Festbeitrag schenken lassen. Diese sehr unterschiedlichen Beiträge sind in der liebevoll gestalteten Anthologie "Gestern kam das Glück zu mir" versammelt und sollen Tipps geben für die Gestaltung außergewöhnlicher eigener Feste. Jutta Treibers Beitrag ist ein Rezept für einen Auflauf, der sich gut zu Partys mitbringen lässt – auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick jedoch ist ihr kurzer Text viel mehr: Denn sie versetzt sich mit dem ihr eigenen schrägen Humor in die Zutaten hinein und erzählt, wie es diesen möglicherweise ergeht – das Schweinefleisch will nicht in den Fleischwolf, schon gar nicht mit dem Rindfleisch gemeinsam. Die Zwiebel möchte eigentlich ihre Hüllen nicht abwerfen, während dem Tomatenmark letzten Endes schon alles egal ist… Eine skurrile Idee wird hier mit viel Liebe zum Detail weitergesponnen – und bietet natürlich unzählige Anknüpfungspunkte, um beim nächsten Kochen selbst die Geschichte der Zutaten zu erzählen!
Jungbrunnen 2009.
121 S.
Über folgenden Link gelangen Sie zu sämtlichen Titeln von Jutta Treiber, zu denen im Online-Portal "Rezensionen online" des Österreichischen Bibliothekswerks Beiträge vorhanden sind:
http://www.biblio.at/...