Religiöses Buch im Jänner 2024
Prestel 2023.
160 S.
Britta Teckentrup: Die Schaukel
Die Schaukel war schon immer da.
So sicher wie das jährlich wiederkehrende Weihnachtsfest, der Jahreswechsel oder Ostern: Die Schaukel war schon immer da. Und ist damit ein Symbol für das Dauerhafte. Zugleich aber auch für die Bewegung und die Einladung, in Kontakt zu treten.
Sie stand am Meer
und lud alle dazu ein
auf ihr Platz zu nehmen.
Sie ist Ort der Begegnung, Ort des Wandels, des Abschieds und des Kennenlernens. Anhand dieser einen Schaukel, die über dem Meer thront, versinnbildlicht Britta Teckentrup in dem für sie markanten Stil unterschiedliche Stadien des Lebens. Von Menschen gleichermaßen wie von Tieren und der Schaukel selbst. Auf cremefarbenen Seiten inszeniert sie einen an sich statischen Gegenstand, der durch äußere Einflüsse in Bewegung gebracht wird: Seien es Kinder, die darauf herumturnen, der Wind, der durch die Ketten fährt und die beiden Schaukeln in Bewegung setzt oder ein Teenager mit Liebeskummer, der trübsalblasend seine Beine baumeln lässt.
Ein Ort, an dem alles begann … und endet.
Sie ist Zeugin der Zeit, der Generationen, die an diesem Ort einander kennenlernen und voneinander Abschied nehmen. Und jener Ort, an dem Schicksale verhandelt werden. Beim Umblättern lernen die Lesenden immer neue Figuren kennen, die zum Teil wiederkehren. Da ist z. B. Sami, der seine Heimat vermisst und wenn er auf das Meer blickt sich ebendieser etwas näher fühlt. Oder Clara, die beim Schaukeln ihre Gedanken ordnet. Und da ist aber auch Peter, der als Kind davon träumt, großartiger Schwimmer zu werden und dafür von seinem Vater ausgelacht wird. Jener Peter, der viele Seiten und Jahre später zur Schaukel zurückkehrt und wiederum seinen Sohn bei all seinen Träumen unterstützt.
So wird sie zum Ort der Zweisamkeit, der Einsamkeit und jener, an dem Platz für Wunder ist. Wo die Tiere des Dschungels in den Wolkenbildern erkannt werden oder Referenzen auf Kinderbuchklassiker eingeschrieben werden. Und auch wenn die Szenerie dieselbe bleibt, wird das gut 160 Seiten starke Buch niemals langweilig. Vielmehr eröffnen sich auf jeder Seite Szenarien, die die Lebensrealitäten unterschiedlicher Menschen in differenzierten Lebensstadien zeigen. Dabei lotet die Künstlerin die Möglichkeiten von Perspektiven, die man auf ebenjener Schaukel einnehmen kann, aus: wo ein Kind kopfüber von der Schaukel hängt, steht die Welt nach dem Umblättern Kopf. Wo ein anderes bis hoch in den Himmel schwingt, realisiert sich das in der Bewegung der Figur selbst, wie in der Setzung der Schrift, die schier über die Seiten hinausfliegen möchte. Und all das im Jahreskreis. Der Sommer ist voller Feste, der Herbst voll Nebel und der Winter voll Schnee, der die Schaukel fast verschwinden lässt. So manifestiert sich in den Bildern die Zeit, die vergeht.
Und dazwischen sind viele leise Töne, die einladen, inne zu halten, den Blick zu heben und in den Himmel zu schauen. Und darüber nachzudenken, was das neue Jahr bringen mag, denn …
Jahreszeiten kamen und gingen.
Die Jahre kamen und gingen.
Es ist ein Ort, an dem alles beginnt …
Alexandra Hofer
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