Tyrolia 2023.
96 S.

Linda Wolfsgruber: wir

WIR: Pronomen. steht für mehrere Personen, zu denen die eigene gehört, für einen Kreis von Menschen, in den die eigene Person eingeschlossen ist.

So lautet die Definition für den Plural der ersten Person. Dieses WIR ist aber auch jener Begriff, unter dem eine Gemeinschaft subsummiert wird, an der man Anteil hat. Ob Familie, Religion, Verein: überall dort, wo Menschen zusammenkommen, um gemeinsam oder an einer Sache zu tun, steht das WIR zentral im Mittelpunkt.

Und genau diesem WIR hat sich die Südtiroler Illustratorin Linda Wolfsgruber bereits 2017 mit ihrem quadratischen Buch verschrieben, dass auch bei den damaligen >>> Neuvorstellungen in der STUBE interaktiv erkundet wurde. Ohne Paratext schlittern die Betrachter*innen in eine kollektive Gefühlserprobung: Wir sind rebellisch, verliebt, lieb, wunderlich, wütend und vieles mehr.

Nun ist das kleinformatige, quadratische Buch in einer Neuauflage erschienen und wurde zwar nicht inhaltlich, aber dafür sprachlich erweitert. 44 Gefühle finden in 44 Sprachen zu 44 Portraits und zeigen dadurch die Vielfalt dieses WIRs. Diversität wird gefeiert und dabei auf jegliche Form von Zuschreibung verzichtet, denn das Wir steht ethnologisch, biologisch wie religiös oder spirituell gleichermaßen im Vordergrund.

Die vielsprachige Ausgabe besticht dabei durch das Miteinander von je zwei Sprachen auf einer Doppelseite: Während das deutsche Wort handschriftlich in den Weißraum gesetzt wird, wird in Druckschrift dasselbe Wort in einer anderen Sprache daneben gestellt und ermöglicht dieserart eine zweisprachige Lesart. „Wir“ überbrückt damit nicht nur Sprachbarrieren, sondern auch Zeichensysteme, wenn vornehm auf Japanisch abgedruckt ist, und Sinne: Denn auch die Brailleschrift (sanft) oder die Gebärdensprache (zickig) samt QR-Code für ein Video zum Betrachten finden Einzug.

Die variantenreiche Menschen-Auswahl, die Linda Wolfsgruber hier trifft, spielt durchaus mit intuitiv vorgenommenen Zuschreibungen, die durch die bestechende Einfachheit der Bildkompositionen gleichermaßen unterstützt wie unterlaufen werden: Mit Farbstift werden die Gesichter klar konturiert in den Weißraum gesetzt und durch grobgliedrige Details variiert. Augen, Nase, Mund und Hautfarbe setzen sich in ihrer Vielfalt in der Wahl von Halskrägen, Frisuren und Kopfbedeckungen fort und zeichnen so das Kaleidoskop der menschlichen nach. Ganz gemäß des Sprichworts in Gottes Garten gibt es viele Arten von Menschen – diese Vielfalt der Individualität wird hier zelebriert; multikulturell gleichermaßen wie multilingual.

Wie diese Sprachen ausgewählt wurden, um eine möglichst großen Querschnitt abzubilden, kann >>> hier in einem Making-of Video des Verlages mitverfolgt werden, dabei wurden unterschiedliche Expert*innen und Communities miteinbezogen, um nicht Vorurteile zu verfestigen, sondern vielmehr beim Betrachten den Blick dafür zu weiten, was WIR alles sind oder sein können.

Alexandra Hofer


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