Gabriel 2023.
272 S.

Alois Prinz: Franz von Assisi. Tierschützer, Minimalist und Friedensstifter

(Christlicher) Glaube bezieht sich auch auf Vorbilder. Eines der populärsten davon ist wohl Franz von Assisi – aufgrund seines besonderen Verhältnisses zur Schöpfung und seiner einfachen Lebensführung oft in lieblichen Szenarios umringt von großäugigen Tierchen dargestellt. In seiner jüngsten Biographie widmet sich Alois Prinz nun diesem bekannten Heiligen aus dem Mittelalter, befreit ihn aber von diesem verkitschten Bild. „Losgehen“ lautet dabei das erste Kapitel, und das ist ganz wörtlich gemeint: Im Juli 2021 begab sich der Autor auf den Franziskusweg, von Franziskus´ Heimatstadt Assisi bis nach Rom. Dieser Zugang diente nicht nur der Recherche, sondern sollte auch in einem fast spirituellen Sinn die Auseinandersetzung grundieren: Das Zufußgehen war ein Ausdruck seines Glaubens, eine Botschaft, eine Lebensform. Also ging ich los. (S. 7.) Doch natürlich unterscheidet sich das Gehen eines heutigen Wanderers, ausgerüstet mit Trekkingschuhen und Powerbank, deutlich vom spartanischen Barfußgehen von Franz – diese historische Differenz thematisiert und reflektiert der Autor immer wieder.
Beim Ausgangspunkt seiner Wanderung in Assisi versucht Prinz sich vorzustellen, wie es wohl zur Zeit von Franz dort ausgeschaut haben mag, und vermittelt dabei einiges über den sozialen und historischen Kontext. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Beziehung Francescos zu seinem Vater, ein spannendes und konfliktives Thema, mit dem er sich bereits in seinem Band „Rebellische Söhne“ (Beltz & Gelberg 2010) beschäftigt hatte. Denn Pietro Bernardone, im heutigen Sinn ein reicher Selfmademan, kann seinem Sohn die radikale Abwendung von seinem bisherigen komfortablen Leben nicht verzeihen; dieser wiederum sagt sich völlig vom Vater los, denn es gäbe für ihn nur noch den himmlischen Vater.

Während der Autor weiter auf dem Franziskusweg unterwegs ist, berichtet er vom weiteren Werdegang Francescos, den Brüdern, die sich bald um ihn sammelten, den Erfolgen und Niederlagen. Durch die ständigen Rückbezüge auf die konkreten Orte erhalten diese Berichte eine besondere Intensität, nicht zuletzt wenn Alois Prinz von jenem Moment erzählt, den er als den beeindruckendsten der ganzen Reise erlebte, ein Aufenthalt in der Begegnungsstätte La Romita von Fra Bernardino, dem er das Buch auch gewidmet hat. Mitten im Wald versuchte dieser, ein Leben ganz nach dem Vorbild von Franz von Assisi zu führen, der für ihn halb Clown, halb Heiliger war, ein Meister des Lebens (S.143).

Ein weiteres Mal versteht es Alois Prinz, das Leben und die Zeit der dargestellten Person virtuos mit den Überlegungen und Theorien anderer Menschen aus den Bereichen Literatur, Philosophie, Geschichte und Theologie zu verknüpfen: In diesem Buch sind das unter anderem Franz Kafka, Michael Ende, Ludwig Wittgenstein, Lynn White und Adolf Holl. Seine Relevanz (auch) als religiöse Lektüre bekommt das Buch jedoch durch die stets präsente Frage, was Leben und Wirken von Franz von Assisi uns heute in einer krisengebeutelten Zeit zu sagen hat. Mit Martin Buber weist Prinz darauf hin, dass sich religiös inspirierte Reformbewegungen an einem ursprünglichen Zustand orientieren, einer Vorstellung davon, wie Welt und Mensch von Gott gemeint waren. Ein Gedanke, der in seiner Radikalität auch durchaus österlich ist:

Diese Verheißung schließt den Glauben daran ein, dass jeder Mensch eine mehr oder weniger verborgene Erinnerung an dieses Paradies in sich trägt und es möglich ist, diese Utopie vom guten Leben auch zu verwirklichen, ohne sich wieder in den Kreislauf von Angst, Hass, Gewalt und Krieg zu verirren. (S. 249)

Kathrin Wexberg


Über seine Arbeit an dieser und anderen Biographien hat Alois Prinz jüngst in einem Werkstattgespräch im Rahmen der Tagung der Literarischen Kurse »Sprache finden – Leben erzählen« berichtet und einen Auszug aus dem Buch gelesen. STUBE-Card-Besitzer*innen können Gespräch und Lesung im passwortgeschützten >>> STUBE-Card-Bereich nachschauen.

Die gesammelten Religiösen Bücher des Monats finden Sie im
>>> Archiv