Religiöses Buch im Dezember 2017
Elena Favilli/Francesca Cavallo: Goodnight stories for Rebel Girls. Hanser 2017.
„Als Mann und Frau schuf er sie.“ So selbstverständlich in Genesis 1,27 von der Erschaffung des Menschen in zwei Geschlechtern, die gleichwertig nebeneinanderstehen, die Rede ist, so schwierig ist Geschlechtergerechtigkeit in der gesellschaftlichen Praxis. Elena Favilli und Francesca Cavallo, zwei mittlerweile in den USA lebende Unternehmerinnen, stellten bei ihrer Arbeit im Kindermedienbereich fest, wie selten Geschichten sind, in denen weibliche Figuren die Hauptrolle spielen, ohne auf klassische Stereotype wie Prinzessin festgelegt zu werden. Dem wollten sie Abhilfe schaffen und sammelten in einer einzigartigen Crowdfunding-Kampagne über eine Million Dollar, um in einem Kinderbuch Geschichten von bemerkenswerten Frauen zu erzählen. In diesen nun in deutscher Übersetzung erschienenen „Goodnight Stories for Rebel Girls“ werden auf je einer Doppelseite in Bild und Text 100 außergewöhnliche Frauen porträtiert.
In märchenhaft anmutendem Stil wird ganz knapp aus dem Leben erzählt sowie ein prägnantes Zitat und die Lebensdaten festgehalten. Daneben steht ein ganzseitiges Porträt, hier arbeiteten 60 Illustratorinnen mit ganz unterschiedlichen Stilen, Farbspektren und Verfremdungseffekten. Die Bandbreite der Lebensläufe ist dabei enorm und umfasst unterschiedlichste Zeiten, Kontinente und Ethnien: Die Polin Irena Sendler etwa, die während des NS-Regimes jüdische Kinder unter falschem Namen bei christlichen Familien versteckte und so zweieinhalbtausend Kinder retten konnte. Oder die 1996 geborene afghanische Rapperin Sonita Alizadeh, die sich mehrfach einer Zwangsheirat entzog und nun selbstbestimmt in den USA lebt. Harriet Tubmann, die ca. 1822 als Sklavin in den Südstaaten geboren wurde und später hunderte von Sklaven in die Freiheit der Nordstaaten schmuggelte. Seondeok von Silla, die im 7. Jahrhundert mit nur 14 Jahren zur Königin eines der koreanischen Reiche gekrönt wurde. Die Lebensgeschichten faszinieren in ihrer Vielfalt und machen in ihrer Verknappung Lust, weiter zu recherchieren und dabei vielleicht auch auf Aspekte zu stoßen, die hier keinen Platz hatten. Gerda Lerner, die aus Österreich vertriebene Pionierin der Frauengeschichtsschreibung, formulierte einmal: „Jede Frau ändert sich, wenn sie erkennt, dass sie eine Geschichte hat.“ Aber auch Buben und Männer verändern sich, wenn sie Geschichte(n) von Frauen hören – und so ist dieses außergewöhnliche Buch, dessen 2. Band in Amerika gerade erschienen ist, bestens als Weihnachtsgeschenk für Menschen aller Geschlechter und Altersstufen geeignet.
Kathrin Wexberg
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