Angie Thomas: The Hate U Give. Aus dem Engl. V. Henriette Zeltner. München: cbt 2017.

Die 16-jährige Ich-Erzählerin Starr wächst im schwarzen Viertel auf und besucht eine teure, überwiegend weiße Privatschule. Eines Abends trif Starr auf einer Party einen ehemaligen
Mitschüler wieder, lässt sich von ihm nach Hause fahren und gerät mit ihm in eine
Fahrzeugkontrolle. Khalil macht eine unüberlegte Bemerkung, eine zu schnelle Bewegung – und wird vom Streifenpolizisten erschossen.
Angie Thomas hat in ihrem Debüt die Morde an Alton Sterling und Philando Castle 2016 durch die Polizei als Folie für ihre Geschichte genommen, um beispielhaft, aber auch allgemein davon zu erzählen, wie struktureller Rassismus in den USA alltäglich ist und welche Folgen Morde wie diese für die Hinterbliebenen haben. „Leute wie wir werden in solchen Situationen zu Hashtags, aber Gerechtigkeit kriegen sie kaum einmal.“, fasst Starr zusammen, wie sich zwar im Zeitalter von Twitter und Co. Empörung medial gut verbreitet, aber dennoch Jury-Entscheidungen zumeist zugunsten der (weißen) Staatsgewalt ausfallen.
„THUG“ - das bedeutet Verbrecher, aber es ist auch ein Akronym für „The Hate U Give“, benannt nach Tupac Shakurs Album „Thug Life“, einer Stellungnahme darüber, dass rassistischer Hass, der von der Mehrheitsbevölkerung ausgeht, wieder auf diese zurückfällt. In diesem Sinn werden von Angie Thomas auch die sozialen Probleme im schwarzen Viertel erklärt: als Mangel an
Alternativen, als Resignation an struktureller Diskriminierung und schließlich auch ein Stück weit als Selbstermächtigung gegenüber den Herrschenden, wie die Bezugnahme der Familie auf die Black Panther-Bewegung und Black Jesus illustrieren.
Dennoch ist „The Hate U Give“ kein düsteres Problembuch. Thomas entwickelt auf über 500 Seiten eine Menge differenzierter Figuren, die trotz krimineller Vergangenheit reflektiert und liebevoll sind, die trotz privilegiertem weißen Elternhaus Machtverhältnisse durchschauen oder die einfach High- School-Freund*innen sind, deren Schlagabtausche und Rituale wir mitverfolgen. Auch die Übersetzung ist gelungen: Wendungen werden im Original belassen und dann deutsch erklärt, womit der Klang und der Soundtrack des Romans nachvollziehbar bleiben.
Die Kontrastierung der zwei Leben, in denen sich Starr bewegt, macht den Roman reizvoll und aufschlussreich dafür, welche Erfahrungen die zeitgenössische Black Community prägen. Die vielen ausgiebig erzählten Szenen machen ihn zu einem ausgedehnten Leseereignis, wie es nur gut konstruierte US-amerikanische Romane können. Kein Wunder, dass „The Hate U Give“ in den USA bereits ein Bestseller ist.

Jana Sommeregger

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