Religiöses Buch im Dezember 2016
Will Gmehling: Gott, der Hund und ich. Ill. v. Wiebke Oeser. Wuppertal: Peter Hammer 2016.
Viel unscheinbarer und alltäglicher könnte der Ort nicht sein, an dem der kindliche Protagonist dieses Bilderbuchs auf Gott trifft. Auf einer rostigen Schaukel im Garten zwischen Hochhäusern und Mülltonnen tritt einem einsamen Jungen ein Mann mit „komischer Fellmütze“ und „strahlenden Augen“ entgegen: „Da kam Gott in seiner alten Jacke. Ich wusste sofort, dass er es war.“ Es ist ein Gott voller Liebe, Mitgefühl und Verständnis, der einen zerzausten verwaisten Hund adoptiert und sich unter die Menschen als ihresgleichen mischt, mit ihnen Zeit verbringt, ihren Sorgen nachfühlt und auch mal eine Zigarre raucht. Ein Gott, der auf ihrem gemeinsamen Spaziergang durch die Stadt alle Menschen, denen die beiden begegnen, glücklich stimmt.
Gerade die kleinen Details und nicht zuletzt auch Will Gmehlings sprachliche Direktheit sind es, die die kindliche Sicht auf einzigartige Weise einfangen und gekonnt Humor in die trotz aller Simplizität äußerst poetische Geschichte bringen:
„Wohin gehst du jetzt?“, fragte ich.
Gott zuckte mit den Achseln. „Mal sehen. Vielleicht nach Feuerland. Vielleicht aber auch nur um die Ecke.“
„Na dann bis später“, sagte ich.
„Sicher“, sagte Gott und schlug mir freundlich auf die Schulter.
Er holte ein Sandwich aus der Tasche und betrachtete es von allen Seiten.
„Was ist da drauf?“, fragte ich.
„Erdnussbutter. Mit Tomaten, Speck und Zwiebeln.“ „Göttlich“, sagte ich.
Er lachte.
Konsequent der kindlichen Perspektive verpflichten sich auch Wiebke Oesers bunte Wachskreideillustrationen. Die deutsche Illustratorin zeichnet ein ausgewogenes Bild einer Stadtbevölkerung, in der unterschiedlichste Ethnien gleichsam vertreten sind, und lässt Gott im Regen in Flip-Flops und mit kariertem Schal und Stoppelbart auftreten.
Eine ungewöhnliche Figuration Gottes ist es, die uns in dieser berührenden Erzählung vorgestellt wird. Eine Figuration, die zugleich kindlicher Alltagserfahrung sowie kindlicher Imagination verbunden bleibt und so dem Alltäglichen im Außergewöhnlichen und Wundersamen nachspürt. Sowohl Text als auch Bild lassen dabei viel Spielraum für Interpretation und Identifikation. Nicht umsonst bleibt der Protagonist durchwegs namenlos – denn letztendlich könnten wir alle der kleine Junge sein, der an einem verregneten Vormittag eine unerwartete Begegnung macht.
Claudia Sackl
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