Karin Gruß: Was WÜRDEst du tun? Ill. v. Tobias Krejtschi Bartgeheide: miniedition 2016.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ So lautet Artikel 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, den sich Karin Gruß und Tobias Krejtschi zum Anlass für ihr bemerkenswertes Bilderbuch nehmen. In unscheinbaren Alltagsszenarien zeigen die beiden deutschen Kinderbuchkünstler*innen, wie leicht wir andere durch arglose Unachtsamkeiten oder Vorurteile verletzen, sie ihrer Würde berauben: Ein farbiger Junge wird von seinen Mitschülern gehänselt. Einer Frau wird von einer Partyrunde das Tuch vom Kopf gezogen. Ein nachlässig gekleideter Herr muss länger als alle anderen auf die Bedienung warten. 
Die dargestellten Szenarien sind jedoch nicht nur in Bezug auf tagesaktuelle gesellschaftspolitische Themen äußerst relevant. Ein Aufruf zu Toleranz in zwischenmenschlichen Beziehungen und zur Achtung des/der Nächsten wird im Alten Testament bereits mit dem Gebot „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (3.Mose 19:18) formuliert. 
Den mit viel Sorgfalt komponierten Doppelseiten ist jeweils ein die Situation veranschaulichender Satz („Harry wartet seit einer Stunde auf den Kellner.“) sowie eine beinahe provokant direkte Frage an die Lesenden („Wie WÜRDEst du dich fühlen?“) zur Seite gestellt, die den Gesprächs- bzw. Denkanstoß konkretisieren und immer wieder auch die Goldene Regel „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun, das tut ihr ihnen auch“ (Matthäus 7:12) widerhallen lassen. Nicht selten erschließt sich den Betrachtenden die Situation in all ihren Verwicklungen jedoch erst durch Tobias Krejtschis Illustrationen. Seine in monochromen Grau- und Brauntönen gehaltenen Bilder, deren Monotonie nur durch vereinzelte orange-warme Farbakzente gebrochen wird, bringen das
Unaussprechliche, Tabuisierte zur Sprache und schaffen in ihrer ganz speziellen Ästhetik die genau passende Atmosphäre für ein Sinnieren und Reflektieren. Gemeinsam liefern Text und Bild eine ideale Grundlage für einen vielseitigen Dialog über Respekt und Toleranz gegenüber anderen. 

Claudia Sackl

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