Annemarie Fenzl / Lene Mayer-Skumanz / Annett Stolarski: 
Ein Haus voller Zeichen und Wunder. Der Wiener Stephansdom. Wiener Dom Verlag/Tyrolia 2014.

Kirchen wie der Wiener Stephansdom sind nicht nur Wahrzeichen und architektonische Höhepunkte einer Stadt, sondern bieten in ihrer Fülle an Statuen, Symbolen und Zeichen gerade für Kinder zahlreiche Anknüpfungspunkte – für kulturgeschichtliches Wissen, aber auch für die persönliche Gottesbeziehung. Die Bedeutungen und Hintergründe dieser Zeichen zu entschlüsseln, braucht aber entsprechende Informationen – solche ansprechend aufbereitet zu vermitteln, hat sich dieses Sachbuch zur Aufgabe gemacht. Dafür zeichnen drei Fachfrauen verantwortlich, die aus ganz unterschiedlichen Bereichen stammen: Die Historikerin Annemarie Fenzl ist Leiterin des Archivs der Erzdiözese Wien, sie war engste Mitarbeiterin von Kardinal König und bietet seit Jahren Führungen für Kinder durch den Dom an. Sie verfasste Sachtexte und Sprechblasen zu den zahlreichen Comics, die wie die Illustrationen aus der Feder der Künstlerin Anett Stolarski stammen. Lene MayerSkumanz, die Grande Dame der österreichischen religiösen Kinder- und Jugendliteratur, hatte die Ideen zu den Comics, erzählte Sagen rund um den Dom nach und formulierte Gebete zu einigen Heiligen, deren Statuen im Stephansdom zu finden sind. Nach einem einleitenden Text ist das Buch in zwei Bereiche gegliedert: „Rund um den Stephansdom“ informiert unter anderem über die Baugeschichte des Domes und dessen architektonische Besonderheiten, „Im Stephansdom“ widmet sich ausgewählten Aspekten wie dem Riesentor, den Marienbildern oder den Altären. Zum Leitsatz in dieser Fülle wird dabei „Man sieht nur, was man weiß“ – denn es braucht einen genauen Blick um zu erkennen, dass der Grundriss des Domes die Form eines Kreuzes hat oder wo sich in der hauptsächlich gotischen Kirche romanische Elemente verstecken. Anschaulich wird von der Lebens- und Glaubensgeschichte der Menschen in vergangenen Zeiten erzählt und dabei manches erklärt, was heutigen Leser*innen seltsam vorkommen mag. So wird etwa die Bedeutung von Reliquien mit heutigen Versicherungen verglichen: „So wie wir uns heute gegen Gefahren, Krankheiten und Katastrophen versichern und erwarten, dass uns im Fall des Falles geholfen wird, so beteten die Menschen damals zu den Reliquien in der Hoffnung, dass die Heiligen ihnen in schweren Zeiten beistehen und helfen würden.“ Diesem erfrischend klaren Ton der Sachtexte ist die lyrische Stimmung der Gebetstexte gegenübergestellt, die Lene Mayer-Skumanz zu den wichtigsten Heiligenfiguren im Dom verfasst hat und in denen sie jene direkt anspricht: 
„Manchmal sind Tränen die einzige ehrliche Antwort.
Maria, so viele Tränen werden in unsichtbaren Krügen
zu dir getragen. Bitte für uns und stärke die Hoffnung
auf wunderbare Verwandlung der Angst in Freude.“
So wird ein konkreter Ort (der Maria Pócs-Altar, einer der wichtigsten Andachtsplätze im Dom) nicht nur in seiner kulturgeschichtlichen Besonderheit, sondern auch in seiner Bedeutung für das alltägliche Glaubensleben vieler Menschen in unterschiedlichen Zeichen erfasst. Das Buch lädt ein, beim nächsten Wien-Besuch damit ausgestattet für den Stephansdom ein wenig mehr Zeit einzuplanen und sich auf die Suche nach unzähligen Details zu machen – der Grundgedanke gilt jedenfalls nicht nur für den Wiener Stephansdom, sondern für jede andere Kirche: Ein Ort voller Zeichen und Symbole, ein Ort der Begegnung mit Gott.

Kathrin Wexberg

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