Tanja Jeschke/Ulrike Möltgen: Die Weihnachtsgeschichte. Frankfurt/M.: Sauerländer 2013.

„Lumen gentium – Christus ist das Licht der Völker“. So heißen die bedachten Anfangsworte der Dogmatischen Konstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils von 1964. Ulrike Möltgen setzt in ihrer Illustration der Weihnachtsgeschichte motivisch auf jenes Licht und inszeniert den neugeborenen Jesus gleichsam lichtdurchflutet wie lichtgebend. Die Bilder sind aus farbigen Ornamenten zusammengesetzt und strahlen wie hinterleuchtete Kirchenfenster. In der Vielschichtigkeit der übereinander gelegten Papiere gewinnen die Seiten einen besonderen Glanz und stellen Bild und Text jeweils stimmig zueinander. 
Tanja Jeschkes Neuerzählung des biblischen Textes setzt ein mit dem Beschluss Gottes den Menschen ein Geschenk zu machen: „Ich schicke ihnen meinen Sohn Jesus. Er soll Schuhe tragen wie sie, Brot essen, Tränen lachen und weinen wie sie. Und mit ihnen reden. Dann werden sie besser verstehen, wer ich bin. […] Am besten wird Jesus erst einmal ganz normal geboren.“ Mit dieserart, auf wiederholende Erklärungen setzenden Sprache, betont Tanja Jeschke das Moment der Menschwerdung Gottes auf besondere Weise – dass dieser Jesus Christus wahrer Mensch und wahrer Gott ist, wird in vielen (folkloristischen) Weihnachtserzählungen nur allzu oft in den Hintergrund gedrängt. Hier wird jenes Moment unterstrichen, trotz oder gerade aufgrund des schon für jüngere Kinder leicht zugänglichen Textes. Den Figuren wird Charakter und Emotion zugestanden; wenn etwa die Hirten ganz aufgeregt ob dem großen hellen Licht am Himmel sind: „Das ist ja ein Engel“, schrien sie alle durcheinander. Und die Hund bellten wie wild.“ In der Anbindung an die Reaktionen der Menschen (und Tiere) wird jene besondere Nacht lebendig erfahrbar, auch die wiederkehrenden sinnlichen Momente (mit dem Engel kam ein Duft nach Walderdbeeren …) tragen zur Verdichtung des Textes und der Bilder bei. 
Das Bilderbuch verortet die Weihnachtsgeschichte in ihrem ganz konkreten historischen und geographischen Umfeld. So muten die Bilder fast orientalisch an: Mit goldener Patina, satten Farben und ornamentalen Materialien wird immer wieder der Sternenhimmel in den Blick genommen und unterschiedlich dargestellt. Die Ikonographie verbindet tradierte Bildmotive (so sind die Köpfe von Mario, Josef und Jesus von einem goldenen Schein umgeben) mit neuen Bildideen, die immer wieder auch auf die umgebenden Tiere Bezug nehmen. 
Im Tempel von Jerusalem bei Simeon klingt das Buch aus und setzt doch einen nachhaltigen Schlussakkord, der bis hinein die Gegenwart reicht und die Idee von „Lumen gentium“ unterstreicht: „Jesus wuchs und trug Schuhe, aß Brot, lachte, weinte und spielte. Und Gott hatte Großes mit ihm vor.“ 

Christina Ulm

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