Birte Müller: Planet Willi. Leipzig: Klett Kinderbuch 2012. (Jetzt erhältlich: Weinheim: Beltz&Gelberg 2015.)

Vor der Geburt eines Kindes stehen Hoffnungen und Erwartungen – eine Perspektive, die im Advent im Sinne der mit der Ankunft des Menschensohnes verbundenen Heilserwartung besonders präsent ist. Mit der Geburt eines behinderten Kindes aber haben die Eltern nicht nur mit ihrer eigenen enttäuschten Erwartung, sondern auch ganz massiv mit den Reaktionen der Umwelt zu kämpfen: 
„Als Willi geboren wurde, hatte ich irgendwie plötzlich das Gefühl, wir wären von einem anderen Planeten. Nichts im Leben mit meinem Baby war so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Keiner um mich herum schien sich über Willis Geburt zu freuen und keines der Worte und Bilder in den Zeitschriften und Schwangerschaftsratgebern, die sich bei mir gehäuft hatten, hatte IRGEND ETWAS mit unserer Situation zu tun: Mein Kind war behindert, mein Kind war schwer krank und unsere Zukunft machte mir einfach nur Angst.“ 
So berichtet die Illustratorin und Autorin Birte Müller im begleitenden Text zu ihrem
Bilderbuch, in dem sie das Leben mit diesem kleinen Außerirdischen beschreibt. Willis Andersartigkeit wird also nicht mit dem nüchternen medizinischen Begriff Down Syndrom beschrieben, sondern in einem leichtfüßigen und nonchalanten Tonfall mit seiner Herkunft von einem anderen Planeten begründet – was manche Eigenheiten, positive und weniger positive, mit sich bringt: 
„Auf Willis Planeten herrscht fast immer gute Laune. Wenn man das Glücklichsein üben möchte, müsste man da hinfahren, denn die Menschen können das dort viel besser als hier auf der Erde. Aber was sie dort auch gut können, ist trotzig sein! Auf Willis Planeten findet man die allerstursten Dickköpfe des ganzen Universums. Wenn Willi keine Lust hat, mit seiner Mama in dieselbe Richtung zu gehen, dann macht er das auch nicht, basta!“
In der Bildgestaltung war es Birte Müller wichtig, einerseits den Bedürfnissen von Kindern wie Willi gerecht zu werden (so ist neben vielen Alltagsgegenständen auf jeder Seite mindestens eine Kuh versteckt, denn Bücher ohne Kühe haben für Willi einfach keinen Wert), andererseits eine ganz spezifische ästhetische Umsetzung zu entwickeln. Dabei ließ sie sich von den Künstler*innen der Art Brut inspirieren, Menschen mit geistiger Behinderung, die autodidaktisch verschiedene künstlerische Ausdrucksformen finden. Die Bilder, ausschließlich in Acryl auf Leinwand gemalt, entstanden im riesigen Din A 2 Format und überzeugen mit klaren Farbflächen und detailreichen, aber doch einfachen Darstellungen. In seiner Erzählhaltung, die von Humor und Wertschätzung getragen ist, aber auch die schwierigen und anstrengenden Aspekte des Lebens mit einem behinderten Kind zur Sprache bringt, richtet sich das Buch an ganz unterschiedliche Zielgruppen: Eltern und Pädagog*innen, die es vorlesen und damit arbeiten, aber auch einfach alle Kinder mit Down-Syndrom oder Normal-Syndrom, die gerne Geschichten hören und Bilder anschauen. Die zentrale Botschaft erschließt sich wohl in jedem Fall: Die Liebe zum Leben.

STUBE

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