Religiöses Buch im September 2012
Jordan Sonnenblick: Buddha-Boy. Aus dem Engl. v. Gerda Bean Hamburg: Carlsen 2012.
IDie jugendliche Sinnsuche erweist sich wiederholt als zentrales Thema in der Jugendliteratur, sie ist sowohl eine Suche nach sich selbst als auch nach Zugehörigkeit. Dazugehören – ein Bedürfnis, das von vielen jugendlichen Protagonist*innen geteilt wird und oft empfinden sie dabei ähnlich, nämlich, dass dieses Gefühl der Zugehörigkeit von ihren Mitmenschen nicht erfüllt werden kann; denn eine Gruppe ist nicht automatisch eine Gemeinschaft.
Der Protagonist San Lee handhabt seine Identitätsfindung auf ganz eigene Weise: Für ihn steht – nach bereits unzähligen vorangegangenen – ein erneuter Schulwechsel an, weswegen er überlegt, welchen selbstauferlegten Charakter er dieses Mal darstellen möchte. Wie es der Zufall will, wird im Sozialkundeunterricht der Buddhismus durchgenommen. San Lee wird durch sein Halbwissen darüber und durch die Rückschlüsse der anderen – denn immerhin ist San Lee Asiate – zum Zen-Buddhisten „auserkoren“. Was die anderen nicht wissen: San Lee ist adoptiert, seine Eltern sind Amerikaner, er wurde zwar in China geboren, ist aber in den USA aufgewachsen und seine Kenntnisse über die fremde Religion hat er in seiner vorigen Schule erworben, an welcher er diesen Stoff bereits gelernt hat.
San Lee nimmt die ihm zugeschriebene Rolle widerspruchslos an und findet schnell Gefallen daran, spätestens als sich herausstellt, dass ein Mädchen ihm gerade deshalb Aufmerksamkeit schenkt. Lesende begeben sich nun an San Lees Seite und verfolgen seinen „Erkenntnisgewinn“, der durch intensive Recherche in der Bibliothek erfolgt. Die Grundfesten des Buddhismus werden umrissen, Textpassagen aus buddhistischen Lehren werden in die Erzählung eingeflochten. Der Topos Buddhismus ist geradezu omnipräsent, ohne dass die pointierte Erzählweise je wirklich gebrochen wird. Seien es nun ironisierende Kommentare zum Gelesenen, die bedeutungsschwangeren Weisheiten die San Lee seinen Mitschüler*innen mitgibt oder die satirische Einbindung von fest verankerten Begrifflichkeiten in alltägliche Dialoge – „Das Leben ist Leiden, schon vergessen?“ – wodurch eine jugendliche und leichtfüßige Auseinandersetzung mit tiefgehenden Thematiken stattfindet. Es sind jedoch nicht nur die direkten Verweise auf den Buddhismus im Text, sondern auch (Handlungs-)Motive, die sich auf den Buddhismus und die damit einhergehende Einstellung zum Leben zurückführen und deuten lassen.
Als sich das aufgebaute Lügenkonstrukt nach und nach verselbstständigt, bis es schlussendlich in sich zusammenbricht (denn warum seine Mutter dann doch keine Asiatin ist, kann auch vom erkorenen Zen-Meister durch keine Weisheit erklärt werden), stellen sich Fragen, die um die Motive der Vergebung, Buße und Wiedergutmachung kreisen.
Während der Beginn von Sinnsuche und Ungewissheit geprägt ist, hat San Lee am Ende seinen Platz in der Welt zwar noch nicht gänzlich gefunden, sein Blick darauf hat sich allerdings verändert: „Ich glaube wirklich, dass es gut wird. Nein, ich weiß, dass es gut wird. Auf jeden Fall.“
Katharina Portugal
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