Phantastik-Tipp im Oktober 2024
Carlsen 2024.
Mit Bildern v. Astrid Henn und Tina Kraus (nach dem Vorbild von Astrid Henn)
288 S.
Freddy & Flo. Verliebt, verlobt, verhaftet!
Die sieben Jahre von Fürst Wanja sind um. Jetzt bewirbt sich sein Sohn Draculus von Mickwitz um das Amt. Wenn Draculus gewählt wird, sorgt er mit den anderen beiden Ratsmitgliedern dafür, dass unsere Gesetze eingehalten werden, und bestraft alle, die sich nicht daran halten. Und ihr könnt euch sicher sein, dass Draculus mit harter Hand regieren wird!
Wenn Draculus die Macht über den Rat der unsterblichen Wesen übernehmen würde, heißt das für die mittlerweile etablierte phantastische Gemeinschaft im Haus von Freddy und Flo nicht nur, dass es mit dem Miteinanderwohnen aus ist, sondern auch, dass Dr. Mortis, seines Zeichens vegetarisch lebender Vampir, seine Freundin, die Fee Bettina Blütenreich nicht heiraten darf. Denn eine Verbindung von unterschiedlichen magischen Wesen darf es nicht geben. Es ist also klar, dass etwas dagegen unternommen werden muss. In diesem Fall wird Dr. Mortis kurzerhand als Kandidat für die bevorstehende Wahl etabliert und samt Marketingstrategie (einen Vampir kann man nämlich nicht fotografieren oder filmen …) beliebt gemacht.
Maria Kling hat diesen Herbst den nunmehr dritten Band ihrer Kindergruselgeschichte mit Krimielementen vorgelegt. Während in Band eins „Freddy+Flo gruseln sich vor nichts“ (2021) die phantastische Gemeinschaft eingeführt wurde, die zusammen das Haus in der Jüteborger Straße Nummer 13 direkt neben dem Friedhof in Berlin Kreuzberg bewohnt, und in Band zwei „Freddy+Flo. Das Geheimnis der muffigen Mumie“ (2023) eben jene sagenumwobene (muffige) Mumie Tuti (aka. niemand geringerer als Tutanchamun) gefunden werden musste, ist es nun an der Zeit, den Vampir des Hauses in einen Politiker zu verwandeln und nebenbei noch so manchen Irrtum aufzuklären.
Unverkennbar amüsant schafft Kling einmal mehr eine Geschichte rund um die Geschwister Freddy und Flo, die keineswegs ein normales Leben führen. Eine Hexe, ein Werwolf, ein Vampir, eine Blumenelfe, eine Gespensterdame, eine Mumie und einige Heinzelleute: Was für so manchen eine etwas dubiose und vor allem gruselige Hausgemeinschaft zu sein scheint, ist für Freddy & Flo Alltag. Und wären diese sonderbaren Nachbar*innen nicht schon genug, müssen sich die Geschwister auch noch mit ihrer Familie herumschlagen: die neue Freundin des Vaters, die in Band eins noch verhasst war, ist inzwischen eine Vertraute und zudem die Mutter ihrer kleinen Schwester Frieda, die das Familienleben ordentlich auf den Kopf stellt. Zudem wird Flo immer wunderlicher, weil jugendlich und Freddy versteht nicht so recht, wie es wichtigere Dinge geben kann als die nahende Gefahr durch die Ratsübernahme von Draculus. So sind die beiden Hauptfiguren vollends mit ihrem jeweiligen Leben und ihren Dingen beschäftigt und halten, wenn es darauf ankommt, doch fest zusammen.
Eingeschrieben sind den Bänden je eine Kriminalgeschichte, die es zu lösen gilt: Ob Mietskandal, ein Museumsraub oder die Befreiung von Dr. Vigor aus dem Gefängnis, der irrtümlich festgenommen wurde. In Kreuzbergermanier mit eingeschriebenem Berliner Lokalchlorid, das sich etwa in der Sprache von Werwolf Herr Wütke niederschlägt „na ja, ich wollte nur sicherjehen, dat hier keenem wat passiert“, übernimmt bei der Lösung der drei Fälle jede Figur ihren Part und kann dabei ihr spezifisches Können unter Beweis stellen. Mit einer Menge Situationskomik, witzigen Dialogen und mitunter absurden Episoden aus dem Hausleben überzeugt auch der dritte Band auf voller Linie. Und auch wenn die ersten beiden Bände nicht bekannt sind, funktioniert der Text allein. Wobei die Lektüre aller drei Texte dringlichst empfohlen ist.
Ob Zombie, Poltergeist, Werwolf oder Vampir – zu finden sind sie in diesem Kinderroman alle. An der Seite von den Heinzelmännern (die Bezeichnung Heinzelmännchen möchte hier aufgrund der damit einhergehenden Verniedlichung nicht gehört werden), einer etwas entrückten Elfe mit Vorliebe für Blumen jeglicher Art und einer mit einer Kristallkugel für Ferngespräche (Wednesday Adams lässt grüßen) ausgestatteten Junghexe samt fliegendem Handfeger bilden sie ein Figurenrepertoire, das mit jedem Band ein Stück anwächst, und das gut und gerne in einem Gruselkabinett zu finden sein könnte. Oder eben im Haus Nummer 13. In das man hoffentlich auch in Zukunft wieder zurückkehren wird.
Und all jene, die gerne etwas fürs Ohr haben, seien an dieser Stelle die Hörbücher, die von Mark-Uwe Kling eingesprochen wurden, wärmstens empfohlen.
Alexandra Hofer
Freddy + Flo ist auch das Thema eines Beitrags im fokus-Sammelskriptum der STUBE zum Thema Horror. Das STUBE-Team und freie Mitarbeiterinnen haben darin unterschiedliche Phänomene von Schauerliteratur unter die Lupe genommen. Für alle STUBE-Card-Inhaber*innen ist es >>> hier zu finde.
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