MINT-Buch im Mai 2025

Ill. v. Jonas Sildre.
Aus d. Engl. v. Viktoria Wenker.
Helvetiq 2025.
88 S.
Anita Lehmann/Jean-Baptiste Aubin: Verrückt nach Pi. Geheimnisse einer unendlich faszinierenden Zahl
In der Fülle des aktuellen Sachbuchmarktes gibt es mittlerweile Bücher zu allen möglichen Themen – ein einzelnes Organ, eine bestimmte Art von Bauwerke, eine Spezies. Aber ein Buch zu einer einzigen Zahl? Kann das funktionieren? Ja. Zumindest wenn es sich um die besondere Zahl Pi handelt, die Mathematik-affine Menschen seit jeher fasziniert (für weniger versierte vorweg die Basics: Wenn man einen Kreis-Umfang durch seinen Durchmesser teilt, ergibt das eine Zahl zwischen 3 und 4 – eben Pi). Die Auseinandersetzung damit erfolgt in diesem Sachbuch für Kinder ab dem höheren Volksschulalter auf unterhaltsame und lockere Art, die neben der offenbaren Freude am Tüfteln mit Zahlen auch der Lust am Sprachspiel frönt: Von „Pi-ntro“ bis „E-pi-log“ wird in 3,14159265 Kapiteln herausgearbeitet, was das Besondere an Pi ist. Begleitet wird diese Spurensuche von zwei sympathischen Figuren, der Pi-Ratte und dem Pony Piet. Das Farbschema der Illustrationen bleibt konsequent bei drei Tönen von zurückgenommenem Rot, Blau und Blassorange, die Seitengestaltung balanciert geschickt mathematische Formeln mit Comic-Elementen wie Sprech- und Gedankenblasen.
Auf klassische Sachbuchseiten folgen Panels, in denen zum Beispiel erzählt wird, wie es zur Benennung kam: Es wäre schlicht zu umständlich gewesen, bei jeder Gelegenheit die korrekte mittellateinische Definition anzuführen („quantitas in quam cum multiflicetur diameter, proveniet circumferencia.“) William Jones kam daher im 18. Jahrhundert auf die Idee, den griechischen Buchstaben Pi als Abkürzung zu verwenden. In einer kleinen Randnotiz wird erwähnt, dass es der schweizerische Mathematiker Leonhard Euler war, der als einer der Ersten diese Bezeichnung in seine Arbeiten aufnahm. Damit wird also ganz unaufgeregt und en passant Wissenschaftsgeschichte und gleichermaßen das dynamische Wesen von Wissenschaft mit-vermittelt: Jemand hat eine Erkenntnis, andere greifen diese auf, später vielleicht wird sie widerlegt oder weiterentwickelt. So wird neben der Auseinandersetzung mit dem eigentlichen Thema des Buches auch ein grundlegendes Bewusstsein für Wissenschaft geweckt, das auch bei der Auseinandersetzung mit jedem anderen Thema hilfreich ist. Der Duktus bleibt stets launig und im Plauderton, spricht die Lesenden immer wieder direkt an und schafft es, schlüssig die komplexen mathematischen Zusammenhänge widerzugeben. Und dabei einen Sog zu entwickeln, der selbst an sich nicht besonders mathematik-affine Menschen (wie die Autorin dieser Zeilen…) dranzubleiben und sich mit den unterschiedlichen Facetten dieser irrationalen Zahl zu beschäftigen.
LESEN – SPRECHEN – TUN
LESEN – obwohl es um durchaus komplexe mathematische Zusammenhänge geht, ist der Duktus des Buches gut zugänglich. Anders als andere Sachbücher ist es jedoch nicht so gut zum Herausnehmen einzelner Informationshäppchen geeignet, da der Text eher im Sinne eines Gedankenflusses von einem Aspekt zum nächsten kommt. Ganz nebenbei gibt es dabei ganz unterschiedliche Textsorten zu lesen, bis hin zu thematisch passenden Witzen („Was sagt die Schülerin, wenn sie den Mathelehrer beim Lügen erwischt? Pi-nocchio.“).
SPRECHEN – Der Text wendet sich an vielen Stellen direkt im Sinne eines Dialoges an die Lesenden („Du kannst jede beliebige Zahlenfolge beliebiger Länge in Pi finden.“) und lädt damit auch ein, mit anderen ins Gespräch über die Eigenheiten dieser besonderen Zahl zu kommen.
TUN – Gibt es zu einem mathematischen Thema Dinge zu tun, die nicht mit rechnen zu tun haben? Ja. Hier sogar mit Pizza. Inklusive wichtiger strategischer Hinweis: „Erzähle deinen Eltern nicht, dass du ein Maßband auf einer Pizza benutzt hast.“
Kathrin Wexberg
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