MINT-Buch im Jänner 2023

Ill. v. Stella Dreis.
leykam 2022.
Michael Stavarič: Piepmatz macht Wald aus Euch! Weltrettdings für Vorangeschrittene
Bücher über die Zerstörung der Natur gibt es – gerade in den letzten Jahren – unzählige. Und dennoch schafft es Michael Stavaričs und Stella Dreis` Bilderbuch „Piepmatz macht Wald aus euch“ die Geschichte von der menschlichen Achtlosigkeit und dem (tierischen) Aufbegehren dagegen neu, anders und vor allem witzig-schlagfertig zu erzählen: Ist Wald nicht voll papatastisch? Bin ja selbst ganz im Wald, immer schon. Flieg schmoof rum, denk dauernd, urdinogeil, ein Vogel zu sein. So die ersten Sätze eines ganz besonderen Erzählers – einem Eichelhäher, der in komisch-überzogenem Jugendslang seine Sicht der Dinge darlegt. Selbstsicher und direkt führt er ein in seine Wald- und Vogelwelt, in der er jeder menschlichen Grammatik trotzend (schließlich ist Grammatik von Vogelfamilie ganz anders als eurige) das Problem der Gegenwart auf den Punkt bringt: Wir – die Menschkauzigen, die Menschwesigen – sind zwar kopflistig, aber dumm. Denn, so der Vorwurf des Vogels an die Menschengemeinschaft, ihr [z]erstört den Himmel. Zerstört die Blumen. Zerstört die Schmetterlinge. Zerstört die Bäche. Zerstört sogar den Schlaf. Mit Baustelligen… Statt Wald gibt es Häuser, Straßennetze und McDonalds. Aber nicht einmal Bussard fliegt zu McDonalds und will dort Mäuseburger würgen.
Sichtbar wird das menschliche Eingreifen in die Natur auch in den Illustrationen von Stella Dreis, die den kauzig-coolen Erzählton einerseits durch bunte, witzige Zeichnungen und andererseits durch zum Teil im Retrostil gehaltene Illustrationen künstlerisch widerspiegelt: Da ist etwa ein abgeholzter Wald, in dem auf den Baumstumpfen Fernsehapparate im Stil der 50/60er-Jahre ,gepfanzt‘ sind. Im Bildzentrum der ansonsten schwarzweißen Zeichnung ist ein (digitaler) Wald auf einem der Bildschirme zu sehen: Die Illustration ist weit mehr als eine Bebilderung des Erzähltextes; sie ist eine kongeniale, mit bitterer Ironie zugespitzte Zeitdiagnose.
Die Auswirkungen der menschlichen Achtlosigkeit werden auch erzählerisch fortgeführt und erläutert – und das in der für den Erzähler typischen schlagfertigen Art und Weise: Wald weg. Tiere Weg. Klima weg. Menschwesige weg. In knapper Sprache werden dabei komplexe Zusammenhänge auf den Punkt gebracht und in ein größeres erzählerisches Narrativ eingebettet. Überaus charmant und frech erklärt der Vogel die Bedeutung des Waldes für Mensch und Tier – und liefert dabei auch eine simple, aber bestechende Anleitung, wie das Verhältnis von Wald und Mensch künftig aussehen sollte.
Doch das ist bei weitem nicht die ganze Geschichte, denn – der kecke Vogel hat eine überraschende Erklärung zu machen: Und doch muss ich euch Menschkauzigen eine Kriegserklärung ausstellen. In diesem Krieg der etwas anderen Art sind es keine Schwarzpulver-Bomben, die zum Einsatz kommen, sondern magische Eicheln, die aus Städten neue Wälder zu zaubern vermögen …
Selbstbestimmt und mit der richtigen Mischung aus Ernsthaftigkeit, Witz und Coolness setzt sich der Erzähler – ein wortwörtlich selbstbewusster Kauz – mit dem Status quo auseinander. Fazit: Eine urdinogeile, ziemlich papatastische Geschichte über ein hochaktuelles Thema!
LESEN – SPRECHEN – TUN
LESEN – Nicht nur aufgrund des locker-witzigen Erzähltons, sondern auch durch die konsequente Du-Ansprache der Leser*innen (der Menschwesigen, wie der Erzähler formulieren würde) eignet sich dieses Bilderbuch perfekt zum Vorlesen!
SPRECHEN – Es gibt aktuell wohl nur wenige Themen, die mehr Gesprächsstoff bieten als der Klimawandel: In Zeiten, in denen der Klima-Diskurs ein angstbesetztes Thema ist (man denke etwa an das Phänomen der climate anxiety) bietet dieses Bilderbuch einen wunderbaren Ausgangspunkt, um sich dem Thema aus einer anderen Perspektive zu nähern. Der lockere Erzählton und die knappe, aber präzise Sprache machen komplexe Zusammenhänge leichter zugänglich; das Buch ist der ideale Gesprächsanstoß zum Nachdenken und Diskutieren über Umweltfragen – auch mit jüngeren Kindern.
TUN – Auch für Rätselspaß ist gesorgt: Auf einer Doppelseite sind etwa zahlreiche tierische Verspurungen, wie der Erzähler formuliert, zu bestaunen, die es im Zuge der Lektüre zu bestimmen gilt. Dabei kann man auch spielerisch lernen, welche Tiere nicht auf den Wald verzichten können und für welche der Wald nicht (mehr) das primäre Habitat darstellt – denn vielleicht gibt es längst Tiere, die mal im Wald wohnten und jetzt keinen mehr möchten. Bären zum Beispiel, die leben überall.
>>> hier geht es zu den MINT-Büchern 2023
