Lyrik-Tipp der STUBE
Vermes 2025.
32 S.
Melanie Laibl und Hemma Bergner: Hase, Hund, Birnen – UND?
Wer inspiriert den Hasen dazu, zu laufen? Richtig, der Hund. Oder im Falle unseres Lyriktipps: der Spitz! Dieser jagt Hoppelhase Schnifis nämlich um den Birnbaum. Oder ist es doch umgekehrt? So ganz lässt sich das nicht gleich herausfinden, denn Spitz Ludovic möchte doch eigentlich im Wettlauf um den Baum die kalte Schnauze vorne haben. So hetzen Hase und Hund hinter- oder eben voreinander her und streiten sich schließlich darüber, wer im Kreis-Lauf gewonnen habe. Dem Birnbaum wird das Gezeter der Streithähne dann schließlich zu bunt. Sein Rezept, wieder für Frieden zu sorgen, kommt dann unverhofft von oben:
Er tanzt den Hula,
er schüttelt sich kräftig.
Was daraus folgt – aua! –
ist regelrecht deftig.
Der streitbeendende Segen besteht aus vollreifen Birnen, die Hase und Spitz zur Raison bringen bzw. kurzerhand ausknocken. Dann aber finden die beiden – inspiriert von der Birnenattacke – eine neue, süße Beschäftigung. Der gehen sie gemeinsam nach; ganz ohne den Wunsch, die Nase vorne haben zu müssen:
„Ich habe Hunger. Auf Kuchen.“
„Mit Zucker und Zimt.“
„Wie süß! Weißt du, wieviel
man wovon nimmt?“
Bleibt es bei der Eintracht? Das verrät uns das Buch zwar nicht, dass die Kuchenteigschüssel aber gemeinsam ausgeschleckt wird (das ist schließlich die größte Freude am Kuchenbacken, wie alle kleineren und größeren Leser*innen bestätigen werden), ist aber schon einmal ein sehr gutes Zeichen.
Dass Melanie Laibl das Spiel mit der Sprache exzellent beherrscht, hat sie schon mehrfach bewiesen – und auch in „Hase, Hund, Birnen – UND?“ lässt sie die Freude am Rhythmus und am Reim sichtbar werden. In knappen Vier- oder sogar nur Zweizeilern erzählt sie von Spitz und Hase, findet reine und unreine Reime, gleitet und holpert wunderbar mit den beiden Wettstreitenden um den Birnbaum und lässt auch den Humor nicht zu kurz kommen. Die direkten Reden der beiden Protagonisten laden beim Vorlesen zu schauspielerischen Leistungen ein und natürlich bringen auch die dynamischen Illustrationen der in Wien basierten Hemma Bergner viel Freude in die Lektüre. In starken Strichen und einem wunderbaren Gegeneinander der Komplementärfarben entstehen hier nicht nur der rund-scheckige Hase und der spitzige Spitz, sondern auch einige Nebendarsteller*innen, die auf gleich mehreren Seiten ihren Auftritt haben.
Ein kurzweiliges Lesevergnügen, das sowohl zum Lautvorlesen als auch zum stillen Selbstentdecken und Immerwiederdurchblättern einlädt. Es zeigt, dass Streiten auch zur Freundschaft gehören kann, wenn am Ende eine süße Versöhnung steht, und es macht uns Leser*innen (und Zuhörer*innen) in sprachspielerischer Leichtigkeit Heißhunger auf Birnenkuchen. Mit Zimt und viel Zucker.
Iris Gassenbauer
Die gesammelten Lyrik-Tipps der letzten Monate finden Sie im >>> Lyrikarchiv