Lyrik-Tipp im Juni 2023
Herausgegeben von Nils Mohl, Claudia Maria Pecher und Maximilian Mihatsch im Auftrag der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur e.V.
Verlag Sankt Michaelsbund.
128 S.
Schön sind Wörter, die einfach sind. Gedichte von Paul Maar.
GELOGEN
Was du hier liest,
ist kein Gedicht,
ist endlos lang
und reimt sich nicht
Ganz in diesem Sinne ist auch der hier vorgestellte Band kein Gedichtband, enthält er doch zu einem Teil analysierende, kommentierende, vor allem aber sehr wertschätzende Texte ZU Gedichten von Paul Maar. Die auch nur zu einem Teil von Lyriker*innen wie Michael Hammerschmid oder Uwe-Michael Gutzschhahn stammen, sondern darüber hinaus von Fachleuten wie Heidi Lexe oder Gabriele von Glasenapp und nicht zuletzt von Familienmitgliedern wie Anne und Michael Maar. Ein insofern schlüssiger Reigen, wenn man bedenkt, dass das schmale Buch im engeren Sinne des Wortes als Geburtstagsgabe, zum 85. Geburtstags des renommierten Autors, herausgegeben wurde; erschienen ist es in der von Claudia Maria Pecher verantworteten Reihe „Literarische Blütenlesen bekannter Kinder- und Jugendbuchautoren“, in der bereits Beiträge zu Max Kruse und Josef Guggenmos, jeweils zu deren 100. Geburtstagen, herausgegeben wurden.
Wie wird nun vorgegangen? Auf der linken Seite ist jeweils ein Gedicht von Paul Maar zu lesen (insgesamt sind es 31), das im Folgenden von unterschiedlichen Personen erläutert wird, ästhetisch ansprechend gerahmt von einer Schmuckzeile am Seitenrand und einer ganzseitig abgebildeten Illustration, die originellerweise nicht von renommierten Künstler*innen, sondern schlicht aus Adobe Stock übernommen wurden (was jedoch ihrem abstrakten Reiz keinen Abbruch tut). Die Tonalität dieser kommentierenden Texte ist ganz unterschiedlich – während die Expert*innen aus der Forschung meist einen klugen analysierenden Zugang wählen, würdigen die Kolleg*innen die Leistung des Autors, die Familie wieder nimmt auch auf sehr private Aspekte wie seine Kochkünste oder die Erkrankung der Ehefrau Bezug. Diese Vielstimmigkeit unterscheidet das Buch natürlich deutlich von „reinen“ Lyrikbänden, regt aber umso mehr an, den verschiedenen Zugängen zu Maars Gedichten (und damit natürlich Lyrik an sich) nachzugehen.
Ergänzt wird diese Fülle durch ein Gespräch mit Paul Maars langjähriger Verlegerin Silke Weitendorf, einer biografischen Skizze und bibliographischen Angaben.
So entsteht zwischen Schüttelreimen, den titelgebenden einfachen Wörtern und Buchstaben-Säulen eine ungemein gehaltvolle, ebenso aufschlussreiche wie inspirierende Auseinandersetzung mit dem lyrischen Gesamtwerk eines Autors – und zahllosen Beispielen, dass Gedichte in all ihrer Vielfalt eigentlich nie missraten sein können:
MISSRATENES GEDICHT 2
Was ist nur los
mit dem Gedicht?
Die letzte Zeile
reimt sich kaum.
Kathrin Wexberg
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