Laura Zimmermann:
Meine Augen sind hier oben.
Aus. d. Engl. v. Barbara König.
Atrium 2020.
336 S., € 18,50.

Von der Realität einer Selbstfindung


Die Thematisierung des weiblichen Körpers und dessen Grenzen sollte spätestens seit der digitalen Bewegung #metoo kein Tabuthema mehr sein. Die Explizität, die die amerikanische Autorin Laura Zimmermann in ihrem Jugendromandebüt wählt, sucht im jugendliterarischen Bereich mitunter aber ihresgleichen. Auch wenn es allmählich zu einer gesellschaftlichen Sensibilisierung kommt, scheint die Ausdrücklichkeit (insbesondere weiblicher) Körperlichkeit immer noch ein Problem darzustellen. Fatal wird es, wenn man sich wie die 15-jährige Greer aufgrund der üppigen Oberweite in seinem eigenen Körper nicht wohlfühlt, sich in XXL-Pullovern verkriecht und das Selbstbewusstsein einen Tiefststand erreicht. Dass Greer ein Mathegenie ist, klug, schlagfertig und witzig, hat keine Bedeutung, wenn sie sich nur auf ihre Brüste reduziert fühlt.
Für die Protagonistin ist nicht nur Sport keine Option, sie fühlt sich in ihrem gesamten Tun eingeschränkt. Bereits alltägliche Dinge, wie der Kauf eines Kleides für den Schulball, bereiten ihr erhebliche Probleme. Zum Umdenken über sich selbst kommt es für Greer durch zweierlei: Zum einen ist da Jackson, der Neue, der mit Witz auf ihre Abwehrhaltung reagiert. Und von dem sich zeigt, dass auch er mit Selbst- und Fremdwahrnehmung kämpft. Zum anderen schafft Greer es, entgegen aller Widrigkeiten in die Volleyballmannschaft aufgenommen zu werden und findet über das konsequente Training zu einem neuen körperlichen Selbstverständnis.

Aus konsequenter Ich-Perspektive mit einer Fülle an inneren Monologen erzählt, gewährt der Text nicht nur Greer Raum zur Entwicklung, sondern gibt Einblicke in Jacksons Leben: Er zieht häufig um, findet schnell Freund*innen, wird von diesen aber ebenso schnell wieder vergessen. Er selbst möchte sich in die Biographie anderer einschreiben und hadert zunehmend mit Greers Verschlossenheit, die ihm dieses Bedürfnis verwehren.
Geschliffene Dialoge, sarkastisch-(selbst)ironischer Ton, ohne ins Zynische zu verfallen, prägen den Plot, der einen ehrlichen Umgang mit dieser Thematik wählt. Dabei dominieren nicht Bodyshaming, Mobbing oder gar die Liebesgeschichte, sondern der Umgang mit Selbstzweifel, Body-Positivity und der eigenen Körperlichkeit. Dadurch finden sich am Ende zwei Figuren, bei denen sich die eine selbst sieht, während der andere gesehen wird, ohne dabei die Realität einer Selbstfindung aus dem Blick zu verlieren.

Alexandra Hofer

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