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Lektorix des Monats Februar 2017

 

Margriet Ruurs und Nizar Ali Badr:
Ramas Flucht.
Aus dem Engl. v. Ulli und Herbert Günther.
Arabischer Text v. Falah Raheem.
Gerstenberg 2017, S. 48, € 13,40

Flucht-Bilder aus Steinen komponiert

Mit der breiten öffentlichen Aufmerksamkeit, die das Thema Flucht seit dem vorletzten Herbst erhält, wurde (verstärkt durch die kommunikativen Möglichkeiten der sozialen Medien) auch zunehmend diskutiert, welche bildlichen Darstellungen von Flucht angemessen sind – erinnert sei hier nur an die Kontroverse um das Bild des toten syrischen Buben Aylan, dessen Leichnam an den türkischen Strand gespült wurde. In der letzten Zeit sind einige bemerkenswerte Bilderbücher erschienen, die mit unterschiedlichen visuellen Mitteln und aus unterschiedlichen Perspektiven von Flucht erzählen – „Ramas Flucht“ sticht darunter in zweierlei Hinsicht heraus, durch seine Entstehungsgeschichte wie durch seine Bildsprache. Die kanadische Autorin Margriet Ruurs entdeckte im Internet ein Bild einer flüchtenden Familie, das sie tief beeindruckte. Durch seine Wirkung, aber auch durch seine Machart: Denn es war weder gezeichnet noch gemalt und schon gar nicht am Computer entstanden, sondern ausschließlich aus Steinen komponiert.

„Aber das war damals. Und jetzt ist jetzt“

Die Autorin wollte unbedingt eine Geschichte zu Bildern dieses Künstlers schreiben, doch die Kontaktaufnahme mit dem Syrer Nizar Ali Badr, der kein Englisch spricht, war denkbar schwierig. Ruurs Text, der im Buch auf Deutsch und Arabisch zu lesen ist, ist schlicht: Eine kindliche Erzählstimme, deren Alter nicht näher definiert ist, erzählt von einer zunächst unbeschwerten Kindheit. Dass diese jäh zu Ende ging, markiert eine lakonische Formulierung: „Aber das war damals. Und jetzt ist jetzt.“ Die Familie beschließt zu flüchten, jede Etappe dieses langen Weges wird mit Steinen bebildert. Mit Steinen, die einen besonderen Herkunftsort haben: 60 Kilometer von Nizar Ali Badrs Heimatstadt Latakia liegt der heilige Berg Zaphon. Dort sammelt er Steine, und der Name des Berges ist neben seinem eigenen auf jedem Bild verewigt. Die Bilder bestechen nicht nur durch ihre kunstvolle und genau komponierte Anordnung, sondern auch durch ihre besondere Materialität. Darüber hinaus werden nur ganz wenige Gegenstände, wie ein Stückchen Holz oder Stacheldraht, eingesetzt, die die Wirkung unterstreichen. Nizar Ali Badrs Skulpturen vergegenwärtigen eindrücklich das Moment der Vergänglichkeit: Spezieller Klebstoff für Steinskulpturen ist in Syrien längst nicht mehr erhältlich, so bleibt ihm nichts anderes, als die Werke zu fotografieren und dann wieder zu zerstören. Dieser Widerspruch zwischen Ephemerem und Steinernem, Bleiben und Aufbrechen wird im englischen Originaltitel noch deutlicher: „Stepping Stones“ heißt es dort.

Kathrin Wexberg

>>> hier geht es zur Jahresübersicht 2017

 

 

 

 


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