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Lektorix des Monats Februar 2015

 

Wirklich, wir können nur unsere Bilder sprechen lassen. KunstGeschichten. Von Christine Traber und Ingo Schulze. Hanser 2015. 160 S., 20,50 €

Bilder erzählen Geschichte(n)

Mit dem EU-Projekt GANYMED GOES EUROPE zeigten das Kunsthistorische Museum Wien und „wenn es soweit ist“ über 7000 Menschen wie Bilder aus vergangenen Jahrhunderten und von diesen inspirierte, neu verfasste literarische Texte in eine spannende Interaktion treten. Ein ähnliches Unterfangen legen Christine Traber und Ingo Schulze nun in Buchform vor: Während im titelgebenden Zitat von Vincent van Gogh davon die Rede ist, wie Bilder an sich „sprechen“, wird ihnen hier eine zusätzliche sprachliche Ebene hinzugefügt. 19 Kunstwerken, alle in der Neuen Pinakothek in München zu sehen, werden Geschichten zur Seite gestellt. Dabei wird mit unterschiedlichsten Textsorten gearbeitet, die sich zum Bild variantenreich positionieren: Es gibt Dialoge über das Bild, einen inneren Monolog der Person, die für ein Porträt Modell gestanden ist, einen Brief der dargestellten Person an jemand anderen… Dem Kunstwerk wird dabei mit erfrischender Direktheit begegnet: „Gibt es irgendeinen Grund, vor diesem Bild länger als einen Augenblick zu verweilen, es sei denn, man möchte lernen, wie man Schnee auf Fichten malt?“,  fragt provokant der imaginierte Betrachter von Caspar David Friedrichs „Fichtendickicht im Schnee“. Die Aufmerksamkeit für die Bildsprache wird geschickt erhöht, indem am Beginn des jeweiligen Textes immer nur ein Detail daraus gezeigt wird, teilweise ganz nah herangezoomt. Erst nach der Lektüre des ganzen Textes (der auf farblich auf das Bild abgestimmten Untergrund gesetzt ist), ist das ganze Bild zu sehen. Die Bilder entstammen grob gesprochen der Epoche der Klassischen Moderne, das älteste entstand 1786, das neueste 1920, alle davon wurden von Männern gemalt. Sprachlich nähern sich die Texte der Zeit „ihres“ Bildes an – auch wenn das stellenweise etwas maniriert wirkt, zeigt sich doch eindrucksvoll, wie bildende Kunst nicht im luftleeren Raum (den die Weite des Museums suggerieren mag) entstanden ist, sondern mitten in der sozialen Wirklichkeit ihrer Zeit: So wird hier von spielenden Kindern und arbeitenden Frauen, von beschaulicher Naturbetrachtung und bösartigem Kaffeehausklatsch erzählt. Im Anhang werden, alphabetisch nach den Namen der Maler geordnet, zu jedem Bild Kontext und Interpretationsansätze nachgereicht.  In kunstaffinen älteren Kindern wird mit diesem edel gestalteten Buch vielleicht die Lust geweckt, selbst Geschichten zu Bildern zu erfinden. Für weniger erfahrene Kinder wird jedenfalls deutlich: Bilder erzählen Geschichte(n) – und um diesen nachzuspüren, braucht es einen aufmerksamen Blick.

Kathrin Wexberg

>>> hier geht es zur Übersicht 2015

 

 

 

 


STUBE Studien- und Beratungsstelle für Kinder- und Jugendliteratur | Stephansplatz 3/II/11 | A-1010 Wien | T.: +43 1 51552-3784 | stube@stube.at oder fernkurs@stube.at