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Lektorix des Monats Oktober 2014

 

Aristoteles und Dante entdecken die Geheimnisse des Universums. Von Benjamin Alire Sáenz. Thienemann-Esslinger 2014.

Lektorix in DIE FURCHE 44/30. Oktober 2014

Berührende Freundschaft

„Denn die Musik war schon sehr bald vorbei. Die Musik war vorbei, als sie gerade erst angefangen hatte. Das war echt traurig.“ El Paso, 1987. Ari ist fünfzehn, und sein Leben stagniert. Nicht mehr Kind und noch lange nicht Erwachsener, nicht ganz Mexikaner, aber schon gar nicht US-Amerikaner. Das Dazwischen begleitet ihn seit fünfzehn Jahren, und eigentlich hat er sich damit abgefunden. „Das Problem mit meinem Leben war, dass ich nicht selbst darüber bestimmte“ – aber welcher Fünfzehnjährige tut das schon? Es wäre okay, wenn nicht plötzlich Dante da wäre. Dante, der auch fünfzehn ist, auch kein ganzer Mexikaner… aber da scheinen die Gemeinsamkeiten vorerst aufzuhören. Dante ist so offensichtlich und unbekümmert Teil der Welt, dass Ari anfängt, seine eigenen Vorstellungen zu überdenken. Die Freundschaft der beiden wird zum Punkt, der die Welt aus den Angeln hebt. Bis zum Autounfall.
Eine so philosophische, berührende Freundschaft wie die von Ari und Dante kann nicht ungestört bleiben. Die Zäsur, die in Benjamin Alire Saenz‘ Debüt relativ früh auftritt, überrascht nicht – wohl aber der Ausgang des Unfalls. Denn nicht der lebensfrohe Dante ist das Opfer, sondern Ich-Erzähler Ari. Er wirft sich zwischen den herannahenden Wagen und den Freund und landet im Krankenhaus, während Dante glimpflich davonkommt –  zumindest äußerlich. Bevor das Verhältnis an seinen Schuldgefühlen zerbricht, zieht Dantes Familie weg.
In Aris Denken verliert die Freundschaft an Dringlichkeit. Zu überwältigend ist das Leben, zu groß sind immer noch die Probleme, die ihn vor Dantes Auftauchen belasteten.
Die Kommunikation in Form von Briefen wird immer einseitiger, verwirrender, Ari fühlt sich unverstanden und will auch nicht mehr verstehen. „Dazu waren wir inzwischen zu alt. Wir hatten etwas verloren, und das wussten wird beide.“
Als Dante nach El Paso zurückkehrt, eskaliert die Lage.
Dem eloquenten, expressiven Dante steht der in sich gekehrte, selbstzweifelnde Ari gegenüber. Dass man den Gedankengängen beider Charaktere gleich intensiv folgen kann, liegt an der Wahl der Erzählperspektive. Ari spricht zwar wenig, denkt aber unheimlich viel – mehr vielleicht, als man von einem pubertierenden Jungen erwartet hätte. Nicht nur gleichaltrige, sondern auch ältere Leser*innen werden nicht umhin kommen, sich mit ihm zu identifizieren, sich die gleichen Fragen zu stellen – „Warum lachen wir? Warum fühlen wir uns allein? […] Was ist das Ding in unserer Magengrube, das wir Sehnsucht nennen?“ – und vielleicht die Antworten darauf finden.

Simone Weiß

>>> hier geht es zur Jahresübersicht 2014

 

 

 

 


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