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Lektorix des Monats Juni 2014

 

Schon wieder was! Von Jürg Schubiger und Wolf Erlbruch.
Peter Hammer 2014. 32 S.

Spiel mit De- und Rekonstruktion

Von einem Bestiarium zu sprechen wäre vermessen, denn hier werden durchaus liebenswerte Geschöpfe versammelt. Dennoch: Die Figuren, die Wolf Erlbruch unter Nutzung ganz unterschiedlicher Techniken ins Bild setzt, können erst durch die beigestellten Erklärungen zu- oder eingeordnet werden. Die Erklärungen werden daher auch alle mit derselben Frage eröffnet: „Was ist denn das?“ Aus dem ersten Antwortversuch („Ein Zwerg.“ Oder auch: „Ich weiß es nicht.“) entwickelt sich ein Dialog, der seinerseits in Dialog mit dem jeweiligen Bild steht. Bemerkenswert bleibt dabei, dass alle vorgestellten Wesen ein wenig aus ihrem figurativen Rahmen fallen: Sie sind klein und gleichzeitig groß; sie können Hund oder Katze sein oder überhaupt als etwas erscheinen, was sie gar nicht sind; sie zerfallen oder müssen erst Stück für Stück wieder zusammengesetzt werden.
Was dieserart entsteht, ist ein wunderbares Spiel mit Dekonstruktionen und Rekonstruktionen, die Bild und Text ineinander überführen. Für die Betrachterinnen und Betrachter allen Alters fächert sich eine Bildergalerie auf, die nicht wie bei Modest Mussorgsky musikalisch erfasst wird, sondern in knappen poetischen Miniaturen des Schweizer Autors Jürg Schubiger. Befragt werden dabei nicht einfach nur ein Warzenschwein, eine Mundharmonika oder Frau Radau, sondern die Sprache selbst: „Was ist denn das?“ / „Eine Spitzmaus.“ / Sieht wirklich spitz aus. / Gibt’s auch eine Stumpfmaus?“ Für Figuren wie das Puppenfresserbiest (also doch ein Bestiarium?) können sehr deutliche Bestimmungen vorgenommen werden. („Von etwas muss das Biest sich nähren, / es frisst auch Teddybären“, heißt es, wenn Wolf Erlbruch einen großen Schwarzen Vogel im linear strukturierten Federkleid zeigt, der gerade einen kleinen Plüschgenossen zum Schnabel führt.) Bei anderen seltsamen Erscheinungen – von Ferne hergereist oder nur im Dunkeln zu erspähen – muss erst einmal eine lyrische Annäherung an deren überraschende Charakterzüge stattfinden. Und manchmal zeigt ein Bild auch nur das Bild eines „Jungen“, der die Zunge herausstreckt und an den Zeichner gleichermaßen erinnert wie an jenen Physiker, dessen Bild hier bildlich zitiert wird … Wenn also vom Gras gesprochen, illustratorisch jedoch die riesigen Augen eines Hasen inszeniert werden, dann zeigt sich, dass beide Künstler es perfekt verstehen, mit ihrem Material zu spielen. Sie lösen dabei Figuren zeichenhaften Vorgaben und verorten sie literarisch ganz neu. Zum Beispiel die Fee: „Sie wohnt im Wald mit einem Bär / und badet nachts im Teich. / Sie ist bleich, hat langes Haar, / und wenn sie singt, tönt’s sonderbar.“

Heidi Lexe

>>> hier geht es zur Jahresübersicht 2014

 

 

 

 


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