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Lektorix des Monats Oktober 2007

 

Mirjam Pressler:
Golem stiller Bruder.
Weinheim: Beltz & Gelberg 2007.

 

 

 

 

 

 

 



Künstliche Intelligenz

Von Frankensteins namenlosem Monster bis hin zu dessen popkultureller Version in der „Rocky Horror Picture Show“ reicht die Bandbreite an fiktiven, von Menschen erschaffenen künstlichen Wesen. Selten gehen diese Geschichten gut aus - und so ist es auch in einer sehr alten Variante dieses Motivs, der jüdischen Legende vom Golem, die bereits seit dem 12. Jahrhundert überliefert wird. Von ihr erzählt die renommierte Autorin Mirjam Pressler in ihrem neuen Roman für Jugendliche. Die Kapitel werden jeweils abwechselnd als Ich-Erzählung des fünfzehnjährigen Protagonisten Jankel und in Außensicht erzählt. Da seine Tante, die sich bislang um ihn und seine Schwester gekümmert hat, schwer erkrankt ist, schlägt sich Jankel von seinem Heimatdorf ins Prag des beginnenden 17. Jahrhunderts durch und findet bei seinem Großonkel, dem berühmten Rabbi Löw, Unterschlupf. Bald entdeckt er, dass mit Josef, dem stummen Synagogendiener, der im Dachgeschoß des Hauses lebt, etwas nicht stimmt: Er ist ein Golem, ein aus Lehm erschaffener künstlicher Mensch, der die Befehle seines Herren willenlos ausführt. Doch während der Golem in anderen literarischen Darstellungen vor allem als furchteinflößendes, schreckliches Wesen fungiert, akzentuiert Pressler ihre Geschichte anders: Obwohl Jankel anfangs zutiefst erschrocken ist, entwickelt er nach und nach Sympathie für Josef. In der zunehmend aufgeheizten antisemitischen Stimmung, in der es immer öfter zu Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung kommt, ist der Golem mit seinen übermenschlichen Kräften zunächst eine Beschützerfigur –bis seine Kräfte außer Kontrolle geraten. Pressler bleibt in den Grundzügen ihrer Geschichte sehr nah an der ursprünglichen Legende und findet doch durch ihre jugendlich-naive Hauptfigur einen ganz eigenständigen Tonfall. Aus Jankels Sicht erzählt, erhält die existentielle Bedrohung, der die Menschen im jüdischen Viertel durch perfide Verleumdungen, aber auch zunehmend durch Gewalttaten ausgesetzt sind, besondere Eindringlichkeit. Sehr gelungen erscheint darüber hinaus die Einbeziehung von zahlreichen Elementen aus dem jüdischen Glauben und Alltag, die stimmig in die Handlung integriert werden.

Kathrin Wexberg

>>> hier geht es zur Übersicht 2007

 

 

 


STUBE Studien- und Beratungsstelle für Kinder- und Jugendliteratur | Stephansplatz 3/II/11 | A-1010 Wien | T.: +43 1 51552-3784 | stube@stube.at oder fernkurs@stube.at