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Lektorix des Monats Juni 2005

 

Lian Hearn: Der Clan der Otori
Bd. 1: Das Schwert der Stille. 375 Seiten, geb, € 18,50;
Bd. 2: Der Pfad im Schnee. 397 Seiten, geb., € 18,50;
Bd. 3: Der Glanz des Mondes. 496 Seiten, geb., € 20,10.
Alle: Carlsen Verlag,
Hamburg 2003-2005.

Vor Gott alle gleich

Grandiose Schlachtenszenen und Kampfduelle, beinahe tänzerisch vorgetragen und choreografiert in Super-Slowmotion. Mit höchster Performance und unter Einsatz modernster Technologie kämpfen edle Helden auf Celluloid für das Gute: die asiatischen Kampftechniken der "martial arts" sind zur Kino-Erfolgsgarantie geworden. Was unter Verlust von Inhalten auf Kinolänge zusammen geschnitten wird, findet in Lian Hearns Trilogie vom "Clan der Otori" auf über 1000 Seiten im Kopf der Leser*innen statt.

In eindringlichen Bildern erzählt die Autorin über drei in Fehden miteinander verstrickte Clans an der Wende zur modernen Zeit. Ohne sich an konkrete historische Orte oder Ereignisse zu halten, entfaltet sie Landschaft, Kultur und Sitten, Religion und Glauben, strenge Hierarchie und Kastendenken, um dieser farbenprächtigen Kulisse eine spannende Handlung mit großartigen Helden und einer vieldeutigen Prophezeiung einzuschreiben.

Dreierlei Blut mischt sich in den Adern des jungen Takeo, der bei den "Verborgenen" aufgewachsen ist, mit der Lehre von einem geheimen Gott, vor dem alle gleich sind. Wie sehr diese Lehre die gesellschaftlich gültigen Grundwerte in Frage stellt, erkennt er, als er in den Clan der Otori adoptiert wird und deren Erziehung zum Krieger erfährt. Aber da ist auch noch sein väterliches Erbe, demzufolge er über die außerordentlichen Fähigkeiten des "Stammes" verfügt. Seine persönliche Zerrissenheit und sein Bemühen um Loyalität, sein starker Wille und ausgeprägter Gerechtigkeitssinn lassen ihn zum Hoffnungsträger der zermürbten Menschen werden.

Lian Hearn erzählt mit großem Wissen und hervorragendem Gespür für differenzierte Figurengestaltung: Während Takeo seinen schwierigen Weg in Ich-Form wiedergibt, gehören die dazwischengeschobenen auktorialen Erzählteile dem außergewöhnlichen Mädchen Kaede und ihrem Schicksal einer hochrangigen aber dabei weitgehend unfreien Frau. Hearn erzählt für Jugendliche in farbenprächtigen Bildern, in denen weder Grausamkeiten ausgespart noch die Geheimnisse der Liebe verschwiegen werden.

Inge Cevela

>>> hier geht es zur Jahresübersicht 2005

 

 

 

 


STUBE Studien- und Beratungsstelle für Kinder- und Jugendliteratur | Stephansplatz 3/II/11 | A-1010 Wien | T.: +43 1 51552-3784 | stube@stube.at oder fernkurs@stube.at