Aus d. Engl. v. Katharina Naumann.
Von Hacht 2023..
80 S.

Oliver Jeffers: Da ist ein Gespenst im Haus

Hallo.
Komm doch bitte herein.

Mit diesen einleitenden Worten beginnt der irische Künstler und Autor seine Mixed Media Geschichte. Wird die Einladung in das zuhause des kleinen, bläulich-grünen Mädchens angenommen, kommt die direkt an die Leser- und Betrachter*innen gestellte Frage der Hauptfigur mit jedem weiteren Umblättern immer näher:

Vielleicht kannst du mir helfen?

Weißt du, ich habe gehört ...
dass hier GESPENSTER im Haus sind!

Dass es sich um Geister dreht, hätte durch den Titel eventuell schon vermutet werden können. Was allein durch den vorderen Buchdeckel jedoch nicht erschlossen werden kann, ist die geniale und außergewöhnliche Konzeption des gruseligen (oder eigentlich eher ungruseligen?) Bilderbuches. Oliver Jeffers benutzt zur Gestaltung der Illustrationen zwei Arten von Bildern: gezeichnete (wobei es sich bei dem Mädchen um das einzige Farbelement handelt) und aufgenommene Schwarz-Weiß-Fotografien eines im Jahre 1760 erbauten Hauses. Bis auf drei Ausnahmen, bei denen sich die Illustrationen auf beide Seiten erstrecken, arbeitet Jeffers mit einem Doppelseiten-Konzept, bei dem auf der linken Seite eine Raum-Fotografie und auf der rechten Seite der Text mit viel Weißraum platziert ist. Bei dem gesamten Text handelt es sich außerdem um Aussagen der Protagonistin wie zum Beispiel Ich habe gehört, manche rasseln mit ihren Ketten und spuken durch die Flure.

Über das Gebäude können im Buch verteilt insgesamt vier architektonische Informationen als eingeschriebenen Sach-Teil entdeckt werden. Diese tragen nichts zur Narration bei und können eher als Fun Fact genossen werden, außer vielleicht ... :

... Dieser Dachboden dient nun als Lagerraum für alte Stühle, Bücher und eine mit Laken abgedeckte hohe Kommode.

Aber ist diese Kommode wirklich mit einem Laken abgedeckt oder könnte es sich hier dann doch um einen Geist handeln? Es gibt nur eine Art es herauszufinden und zwar mit dem Hauptelement, welches das Werk noch kreativer macht:
Milchige Transparentseiten mit aufgemalten Geistern, welche zwischen fast jeder Doppelseite für Aufdeckung im wahrsten Sinne des Wortes sorgen. Damit entsteht ein fast schon interaktiver Bestandteil. Es entwickelt sich also eine Art Ratespiel, indem sich vor dem Wenden der Transparentseite gefragt werden kann, wo und wie sich denn ein Gespenst vielleicht verstecken könnte.

Gleich ob diese sich als Laken, Handtuch, kleine Uhr tarnen oder auf dem Luster schwingen, sich unter Tischen und hinter Gängen verstecken, eines ist klar: Furchteinflößend sind die kleinen Wesen nicht dargestellt. Im Gegenteil, das abenteuerlustige Kind hat keine Angst davor die süßen Gespenster zu suchen und zu finden. Sie ist sogar traurig, als am Ende trotz umfangreicher Suchaktion von ihr keines gesichtet worden ist. Ob das wohl so bleibt, ist eher unwahrscheinlich, da die letzte Doppelseite das nun hoffnungslose Mädchen kurz vorm Abbiegen in einen Flur zeigt, indem zwei ganz entspannte Geister tratschen, währenddessen ein Heißgetränk geschlürft wird. Gewissheit dieser Theorie findet sich dann auch im Nachsatzpapier, welches wie das Vorsatzpapier in eine Richtung fliegende Gespenster abbildet, mit einem Unterschied: Unter all den weißen Laken findet sich nun das Mädchen mit ausgestrecktem Zeigefinger und großen Augen, sodass der ertappte Geist mit erhobenen Händen und gebrochener Tasse viel ängstlicher aussieht.

Das wäre eine Art Jeffers zu lesen.

Etwas verdächtig ist es irgendwie aber doch, dass so ein kleines Mädchen schon eine ganze Weile keinen Besuch mehr hatte. Oder dass alle Blumen verwelkt sind. Bei dem Haus, welches mit Baujahr 1760 schon sehr alt ist, fragt sich dann: Was macht ein Kind in einem so großen, leeren und historischen Anwesen ganz alleine, auch über Nacht?Außerdem ist der Titel Da ist EIN Gespenst im Haus grammatikalisch ja nicht ganz richtig, da mehrere Spukgestalten gesichtet werden können. Wenn dann auch noch klar wird, dass auf dem vorderen Buchdeckel das Herrenhaus bei Tag mit einem kleinen Gespenst im mittleren Turm zu sehen ist, während der hintere Buchdeckel das Bild in der Nacht zeigt, nun aber statt dem Gespenst das Mädchen mit gebannten Blick in die Nacht starrt, könnte man meinen, das Bilderbuch adressiert mit verschiedenen Lesarten mehrere Altersgruppen.

Dann heißt es für erwachsene Vorleser*innen vielleicht ...

Da ist ein totes Mädchen im Haus.

Eva Baumann

 

Das Kröte-des-Monats-Logo können Sie hier für Werbezwecke in unterschiedlichen Formaten downloaden.
>>> jpg
>>> png
>>> gif

 


>>> hier geht es zu den Kröten 2023.

Die gesammelten Kröten der letzten Monate und Jahre finden Sie im >>> Krötenarchiv