Kröte im Sommer
2013
Wiener Dom-Verlag 2013.
26 S., € 14,90.
Heidi Trpak / Laura Momo Aufderhaar: Gerda Gelse
Über das Wetter zu jammern, ist in einem Sommer, in dem das Hochwasser nahtlos in die Hitzewelle übergeht (und ebenso schnell wieder zurück…), irgendwie müßig. Eine Spezies jedoch profitiert enorm von dieser Kombination aus zuerst sehr feuchtem und dann sehr warmem Klima: Man nennt sie in anderen Sprachen (so verrät das Vorsatzpapier) Mbu, myg, uodai, oder auf gut österreichisch: Die Gelse. Um sie geht es in einem Sachbilderbuch, das im Rahmen des Projektes "lesen lieben lernen" der St. Nikolaus-Kindertagesheimstiftung entstanden ist und mit dem zum zweiten Mal verliehenen Friedl Hofbauer-Preis ausgezeichnet wurde. Während im Sachbuch normalerweise eine neutrale, fast allwissend wirkende Erzählhaltung "von außen" eingenommen wird, erzählt hier sozusagen der Gegenstand selbst: Gerda Gelse berichtet aus ihrem Leben, das anders als bei Menschen nur drei bis acht Wochen lang dauert – und weiß dabei von Schönheiten zu berichten, die sonst wenig beachtet werden:
"Wenn ich fliege, erzeugen meine Flügel ein wunderschönes Sirren. Ihr kennt mein Lied bestimmt. Ich singe es euch am liebsten zum Einschlafen vor, sobald ihr das Licht ausgeschaltet habt. Dann winkt ihr mir immer so nett zu, bis ich einen guten Platz zum Stechen gefunden habe. Und wenn ihr dann eingeschlafen seid…"
Ins Bild gesetzt wurden Gerda und ihre Einzelteile von der jungen Illustratorin Laura Momo Aufderhaar, deren Teilnahme an der Sommerschule für Kinderbuchillustration 2010 von der STUBE mit einem "Krötenstipendium" gefördert wurde. Erarbeitet wurden ihre Illustrationen im Rahmen der Sprungbrett-Woche 2012, in der mehrere Illustrator*innen zum Text von Kindergartenpädagogin Heidi Trpak Bilder erarbeiteten – wie Gerda auch aussehen hätte können, zeigt die Ausstellung aller dort entwickelten Illustrationsvarianten, die noch bis 21. Juli im Kinderbuchhaus im Schneiderhäusl zu sehen ist. Das künstlerische Mittel der Wahl war in diesem Fall der Pflanzendruck, dessen Ablauf auf einem dem Buch beigelegten Plakat ganz genau erklärt wird und Lust zum selbst Ausprobieren macht: Aus den feinen Linien von Salbeiblättern entstehen zarte Flügel, aus Haselnuss-Kätzchen ein Gelsen-Körper und aus der Ahornfrucht besonders grazile Stechmücken. Neben dem faszinierenden Detailreichtum dieser Drucke ist es besonders die satte Farbgestaltung, die die jeweiligen Doppelseiten so besonders macht (und auf raffinierte Weise auch in die Typographie integriert ist). Den Sachbuch- und damit Wissensvermittlungscharakter unterstreichen schließlich neben Gerdas im Plauderton vorgetragenen Selbstoffenbarungen Sachinformationen, die den durchnummerierten Abbildungen beigestellt sind. So ist es diesmal kein üppiger Schmöker, sondern ein Buch mit unbestritten großer Alltags-, aber auch Urlaubsrelevanz, mit dem die STUBE einen schönen und erholsamen Sommer wünscht – und denken Sie in langen qualvollen Sommernächten immer daran, was Gerda so versöhnlich sagt: "Aber nicht, dass ihr denkt, wir würden euer Blut fressen! Wir Weibchen brauchen das Blut zum Eierlegen. Ansonsten ernähren wir uns von leckerem Blütennektar. Wir sind sozusagen fast Vegetarier."
Kathrin Wexberg
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