Kröte des Monats Februar 2012
Aus dem Franz.
v. Tobias Scheffel und Sabine Grebing
Gerstenberg 2011.
400 S.
Timothée de Fombelle: Vango. Zwischen Himmel und Erde
Eine Verstrebung des Eiffelturmes, auf dem in zweihundertfünfundzwanzig Metern Höhe ein dreizehnjähriges Mädchen sitzt. Eine Höhle auf einer kleinen Insel vor Sizilien, in der ein griesgrämiger Mann eine sonderbare Beziehung zu seinem Esel hat. Ein Strand am Ufer des Schwarzen Meeres, an dem ein Mädchen namens Setanka noch nichts von dem Schrecken weiß, den ihr Vater im ganzen Land verbreitet. Dies sind nur einige der Schauplätze, an denen Timothée de Fombelle die verzweigten Handlungsverläufe seines Romans ansiedelt. Schlaglichtartig wechselt die Perspektive zwischen der Hauptfigur Vango und zahlreichen weiteren Figuren, deren Relevanz für die Geschichte sich erst nach und nach erschließt. Auf unterschiedlichen Zeitebenen entfaltet sich sowohl ein breites zeit- und kulturgeschichtliches Panorama als auch die Geschichte einer Identitätssuche: Denn Vango, der einst mit seiner Amme Mademoiselle vor einer italienischen Insel gestrandet ist, weiß nichts über seine Herkunft, weiß nicht, warum ihm ein Mord angelastet wird und warum er verfolgt wird. Wie Vango auf seiner Flucht von Ort zu Ort, von Frage zu Frage getrieben wird, verlaufen auch die komplexen Erzählstränge: Kaum scheint sich eine Querverbindung erschlossen zu haben, wird eine nächste angedeutet, kaum scheint einer Figur die Flucht gelungen zu sein, wird klar, dass eigentlich jemand ganz anderer gesucht wurde. Timothée de Fombelle hat seine künstlerischen Wurzeln im Theater (mit siebzehn Jahren gründete er eine Theatertruppe), die Lust am Inszenieren merkt man dem Text an: So rasant die Handlung in ihrer Fülle verläuft, so genau werden Details platziert. Auch am Ende der fast 400 Seiten weiß Vango nicht, wer er ist und wer ihn töten will – die Auflösung aller Geheimnisse verspricht Band 2, im französischen Original bereits erschienen.
Kathrin Wexberg
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