Kröte des Monats Jänner 2012
Vom Leben in Janusz Korczaks Waisenhaus.
Gimpel Verlag 2011
64 S., € 30,80.
Iwona Chmielewska: Blumkas Tagebuch
Vergissmeinnicht fallen auf die letzte Seite und wachsen auf dem Nachsatz weiter. Noch deutlicher könnte die Lektüre dieses historischen Bilderbuchs nicht abgeschlossen werden: Es gilt zu erinnern an die pädagogischen Wunder von Janusz Korczak, dem polnischen Arzt und Autor kinderliterarischer und pädagogischer Schriften, der die jüdischen Kinder seines Waisenhauses ins Vernichtungslager Treblinka und damit in den Tod begleitete. Doch schon vor diesem Ereignis, das ihn zur Legende machte, fiel Janusz Korczak mit seiner liebevollen Erziehung auf:
"Der Herr Doktor lässt uns genügend Zeit, damit wir uns erholen. Das Wachsen sei, so sagt er, schließlich keine leichte Arbeit. Das Herz müsse mit den Knochen Schritt halten, wenn diese wachsen."
"Wie man ein Kind lieben soll" lautet Korczaks wohl wichtigstes pädagogisches Werk, und aus der Sicht eines dieser geliebten Kinder wird hier von den Grundgedanken seiner "fröhlichen Pädagogik" erzählt. Blumka ist die zentrale fiktive Figur, deren Tagebuch das Buch im Buch bildet. Zu sehen ist es in der oberen Bildhälfte jeder Seite. Es eröffnet mit jedem Umblättern kleine Einzelszenen, Bildideen und Motive, die aus dem Tagebuch in den Bildraum des Bilderbuchs wachsen. Mit collagierten Tonpapieren und blauer Tusche schafft Iwona Chmielewska ein sepiagetöntes Album, das zwölf Kinder des Waisenhauses in Warschau porträtiert: Pola, die zwei Tage lang eine Erbse in ihrem Ohr wachsen ließ, bevor sie der Herr Doktor rausholen konnte oder Szymek, der den Wettbewerb im Zwiebelschälen gewann, aus denen Frau Stefa Hustensirup für alle Kinder machte.
Während Janusz Korczak in dieser ersten Hälfte des Buches über seine Wohltaten und Wirkungen sichtbar wird, widmet sich die zweite Hälfte konkret seiner Person: "Das ist unser Herr Doktor" – Janusz Korczak, der die weißen Hemdchen der Kinder behutsam aufhängt; Janusz Korczak, der anklopft, bevor er sein Zimmer betritt, um die Spatzen auf dem Fensterbrett nicht zu erschrecken.
Die warmen Bilder und in der Sprache des Kindes gestalteten Texte zeigen ihn als gerechten, liebenden Vater. "Der Herr Doktor ist für uns am wichtigsten, und wir sind am wichtigsten für ihn."
In der Bildgestaltung zentral ist die Verwendung von liniertem Papier aus einem Schulheft, das zerschnitten und in neue Bildkontexte gestellt wird. So wird die Linierung dekonstruiert – analog zur Korczaks Reformpädagogik, die die starren Regeln und Vorgaben der damaligen autoritären Erziehung gebrochen hat. Blumkas bibliophiles Tagebuch gibt berührende Impressionen seiner Biografie wieder und der Biografien, auf die er so bewundernswert gewirkt hat – "Lange könnte ich noch über ihn schreiben. Doch er löscht gerade das Licht."
Christina Ulm
>>> hier geht es zu den Kröten 2012